Man Down
Wasser waten, bis ich zu einer Stiege kam. Meine Füße und die Jeans waren nass, ich stapfte die Stufen hoch, zog die Schuhe aus und setzte mich in die Sonne, bis es Abend wurde. Ich stellte mir vor, was Marion jetzt machte, und sang 100-mal vor mich hin: „ Oh, wie sehr ich dich vermisse, und Nacht für Nacht am Ufer sitze für ein Zeichen deiner Welt, doch da ist kein Stern, der fällt … “
***
Danach bin ich durch die Stadt gezogen. Habe mich betrunken. Ich hatte kaum mehr Geld, also musste ich überall die Zeche prellen. Ein Lokalbesitzer verpasste mir einen Faustschlag, aber ich lachte ihm ins Gesicht. Das Blut spritzte mir aus der Nase, aber ich lachte. Das machte den noch wütender, aber irgendwelche Kerle hielten ihn zurück und jagten mich davon.
Ich fand heraus, wo das Homo-In-Lokal der Stadt war. Ich ging aufs Klo, wusch mir das Gesicht, setzte mich an die Theke und bestellte ein Bier. Es war lauter und verrauchter als in Shanes Bude, alles lag in einem dichten Nebel und die Musik dröhnte ohne Erbarmen, ich nickte im Takt der Musik, und als Billy Idol „Dancing with myself“ sang, sprang ich auf und tanzte und sang lauthals mit, und da kamen die Schwuchteln auch schon aus ihren Löchern gekrochen und umarmten mich und sangen und tanzten mit mir. Die ersten paar wies ich ab, sie waren billig und sahen beschissen aus, aber dann kam ein recht hübscher Kerl. Wir quatschten ein bisschen, er schien ganz okay. Als er mich einladen wollte, sagte ich: „150 Euro und ich lutsch dir den Schwanz.“
Er glotzte mich an, drehte sich um und verschwand.
Ich konnte meine Augen kaum offen halten, so blau war ich. Ich hätte gerne etwas geraucht jetzt, ich hätte gerne ein paar Pillen eingeworfen, vielleicht sogar Rugbys Pilze, aber ich hatte ja geschworen, keine Drogen mehr zu nehmen, also versuchte ich erst gar nicht, an welche ranzukommen.
Zehn Minuten später legte jemand eine Hand auf meine Schulter. Ich sah mich nicht um. Der Jemand flüsterte in mein Ohr: „150 Euro für nen Blowjob? Bist du so unverschämt oder so gut?“
„Find’s heraus.“
„Hm“, sagte der Typ. „Model bist du keins.“
„Aber auch nicht schlecht.“
„Schlecht nicht.“
„150.“
Der Typ war älter als ich. Er sah aus wie ein Nazioffizier in einem Hollywoodspielfilm. Eine kleine Nase, stechende Augen, harte, markante Züge, ein paar tiefe Falten und eine kleine Narbe auf der Wange. Er trug nen schicken Anzug und hielt in seiner Rechten ein halbvolles Bierglas, das ich ihm abnahm und in einem Zug kippte.
„Kein Mensch auf der Welt zahlt 150 für n bisschen Blasen.“
„Ich wette, du tust es.“
„Warum bist du dir so sicher?“
Ich biss mir auf die Unterlippe, genau wie es Marion immer getan hatte, wenn sie einen auf unschuldige Verführerin machte. „Weil du heute Nacht keinen Besseren mehr kriegst. Und du Kohle ohne Ende hast.“
Der Typ sah mich an. Sein Blick war liebevoll. Der kannte mich gar nicht, aber der sah mich an, als wollte er mich morgen heiraten.
„Du bist aus Deutschland?“
„Hm.“
„Bayern?“
„München.“
„Ich bin oft in München.“
„Bestimmt nicht dort, wo ich bin.“
„Ich bin gern im P1.“
„ …“
Er musterte mich lächelnd. „Für 150 nehme ich dich aber mit nach Hause.“
„Von mir aus.“
Er nickte und ging Richtung Ausgang. Ich lief ihm hinterher. „Das Bier“, sagte ich und packte ihn am Arm. „Zahl mein Bier!“
Er ging zurück zum Tresen und bezahlte mein Bier. Der Parkplatz lag in einer dunklen Gasse, er spielte lässig mit seinem Autoschlüssel. Wir stiegen in seinen Van. Er drehte das Radio auf. Wir sprachen nichts. Mir wurde schlecht, als die Karre im Zickzack den Berg hinauffuhr.
Als wir in einer Tiefgarage ausstiegen, steckte der Typ seine Hand in meine linke Hosentasche. Er grapschte nach meinem Arsch. Ich wehrte mich nicht. Ich war bloß ne Nutte. Wie Marion. Ich hatte keine Wahl. Ich stellte mir vor, ich tat es für den Menschen, den ich liebte.
„Wie alt bist du?“, fragte er.
„Wie alt bist du?“, fragte ich.
„58.“
„ 58?! “
Er nickte. „Ich sehe jünger aus, was?“
„58?“
„Viel Sport, kein Alk, kein Nikotin.“
„Kein Sport, viel Alk, viel Weed. Aber du wirst sterben wie ich.“
„Sicher. Aber vielleicht anders.“
Als er seine Wohnung aufsperrte, war ich mir nicht mehr sicher, ob ich das wollte, was jetzt kommen würde, aber es war zu spät. Ich hatte keinen Willen und keine Kraft mehr umzukehren. Der
Weitere Kostenlose Bücher