Man Down
rackern sich ab für nichts und wieder nichts.“
„Nein, nicht für nichts. Sie tun es für ihre Familie.“
„Spar dir solche dämlichen Sprüche. Ich werde nie eine Familie haben. Ich will keine Familie. Ich … verdammt, ich bau doch nur Scheiße! Ich kann nicht für Frau und Kinder sorgen!“
„Du musst jetzt nen Schlussstrich ziehen. Jetzt. Lass deine verdammten Brüder alleine im Dreck versinken. Du fängst n neues Leben an.“
„Ich liebe mein altes Leben. Get rich or die tryin’ “, sagte Shane. „Darum geht’s doch! Ein Leben in der Scheiße ist kein Leben. Soll ich so werden wie du? Soll ich in Fetzen rumrennen? Wann waren wir das letzte Mal beim Fußball? Du kannst dir nicht mal die 5-Euro-Stehplatzkarte im 60er-Stadion leisten! Wir waren seit über einem Jahr nicht mehr beim Fußball.“
„Ich hatte Pech, Shane. Ich hatte verdammtes Pech. Der Unfall, die Firma, ich hatte einfach Pech.“
„Und ich will Glück haben, ich will das Glück zwingen. Mit meinen Händen, verstehst du! Ich werde nicht untergehen! Alle gehen sie unter! Alle! Alle ersticken sie in Schulden und Dreck! Ich nicht! Ich niemals!“
„Du kannst auch ohne Drogengeschäfte überleben. Millionen tun das.“
„Was redest du?“, sagte Shane. „Ausgerechnet du! Du würdest wie n Penner auf der Straße leben und Pfandflaschen aus Mülleimern klauben, hätte ich dir nicht den Kredit besorgt.“
„Das wäre auch besser gewesen.“
„Auf der Straße wäre Babyface kaputtgegangen. Die Straße ist tausendmal härter als du. Du bist doch nur ne Schwuchtel.“
Wir gingen den Fluss entlang Richtung Altstadt. Shane zündete sich eine Zigarette an. Wir trafen die beiden Studentinnen wieder. Wir gingen was trinken, und da Shane kein Englisch sprach, musste ich wieder für ihn übersetzen.
Shane soff sich nieder, bis er nur mehr lachte und ständig: „Oh Mann!“ oder „Noch vier Bier!“ rief.
Ich war die ganze Zeit unruhig, nervös, ich war nicht bei mir. Irgendwie war alles zu viel, alles zu schnell, meine Gefühle kamen da nicht mehr mit. Ich lachte und trank und trank und lachte, aber in mir tobte ein Krieg.
Shane verschwand mit den beiden, seine Versuche, mich zu überreden mitzukommen, waren vergeblich. Ich fuhr mit dem Bus ins Olympische Dorf, setzte mich vor Angelas Haustür und wartete. Shane hatte erzählt, dass Angela nen alten Knacker pflegte, der ständig über Ausländer fluchte, aber froh war, dass die Negerin ihm zum Diskontpreis den Arsch sauberwischte.
Erst jetzt sah ich, in welcher trostlosen Gegend Angela lebte. Von dem Gebäude bröckelte der Verputz, die Büsche um den Parkplatz vor dem Block dienten als Mülleimer und Toilette, die Autos rasten auf der Straße vorbei, als wollten sie so schnell wie möglich weg aus dieser scheiß Gegend. Ein heftiger Wind fegte durch die Straße. Es stank so erbärmlich nach Abgasen und Hundekot, dass es in der Nase schmerzte.
„Hallo Kai“, sagte sie, als sie nach etwa zwei Stunden auftauchte. „Ich hätte euch einen Schlüssel geben sollen. Das war dumm von mir.“ Sie gab mir die Hand, sie sah verstört aus, lief mit mir zum Eingang, zum Lift, wir fuhren in den dritten Stock, gingen einen Gang entlang, es roch nach Essig und Desinfektionsmittel, die Wände und Decken waren strahlend weiß, frisch gestrichen, viel zu weiß, sie blendeten mich, mein Kopf tat weh.
„Wo ist dein Freund?“
„Noch unterwegs.“
Mein Gott, sie schämte sich. Sie schämte sich so sehr, dass es mir selber peinlich war.
„Das Leben in dieser Stadt kann einsam sein“, sagte sie, als wollte sie sich entschuldigen. „Und den Alkohol bin ich auch nicht mehr gewohnt.“
Wir gingen in die Küche, sie machte Kaffee.
„Lass uns auf den Balkon gehen“, sagte sie. „Ich ersticke hier drinnen.“
Wir setzten uns auf den Balkon. Unten rauschten die Autos vorbei.
„Ich muss dir was sagen.“
„Egal, was es ist, Kai. Ich will es nicht wissen. Ich möchte, dass ihr geht.“ Sie hatte Tränen in den Augen. „Versteh mich nicht falsch! Aber du bringst die alten Geister zurück.“
„Und ich kann nicht länger mit ihnen leben.“
„Ich hätte dich nicht herholen sollen.“
„Ich will, dass du mir verzeihst.“
„Ich soll dir verzeihen? Was soll ich dir verzeihen? Ich habe über Nacht deinen Vater verlassen und mich nie mehr bei dir gemeldet.“
„Ich hätte an deiner Stelle den Scheißkerl auch verlassen.“
„Ich habe mit deinem besten Freund geschlafen.“
„Scheiß
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