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Man kann sich auch wortlos aneinander gewöhnen das muss gar nicht lange dauern

Titel: Man kann sich auch wortlos aneinander gewöhnen das muss gar nicht lange dauern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Pehnt
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kann. Mir dagegen wächst das eine oder andere kleinere Gestrüpp an falschen Stellen, zwischen den Augen, in den Nasenlöchern. Aber deswegen bin ich ja hier.
    Was möchten Sie, fragt Frau Meng Woh, nachdem sie meine ungeschickten Versuche beobachtet hat, mich in einer Rückwärtsdrehung auf die Liege hinabzulassen, und schweigend dem Quietschen meiner Waden auf der gummierten Beinablage gelauscht hat, bis ich mich zurechtgerückt und das ausgeleierte T-Shirt straff über den Bauch gezogen habe.
    Ich möchte ein besseres, schmaleres und neueres T-Shirt, ich möchte auch, dass sich zu Hause alle über die Mitbringsel freuen, die ich in der Paradise Shopping Mall in folkloristischen Läden ausgesucht habe, ich möchte so wenige Falten wie Frau Meng Woh und genau die gleiche Geschmeidigkeit des Halses, von weiterreichenden Wünschen ganz abgesehen.
    Ach, sage ich, das Gesicht vielleicht.
    Frau Meng Woh beugt sich überraschend schnell zur Seite, zieht aus einer Ecke schräg hinter sich einen ausfahrbaren Vergrößerungsspiegel und lässt ihn direkt vor mein Gesicht schnellen.
    Gesicht, sagt sie, viel Arbeit, und zum ersten Mal lächelt sie, und dann sagt sie noch, entspannen, es klingt wie ein freundlicher Befehl, dem ich mich gern füge. Ich schließe die Augen und warte. Frau Meng Woh bewegt den Spiegel vor meinem Gesicht hin und her, ich spüre die Bewegung und ihren Blick, dann ihre Finger an meinem Hals, die das Bändchen zu einer strammen Schleife binden. Sie steht auf, geht beinahe lautlos hin und her, jetzt duftet es nach Pinie und heißem Wachs, und dann hat sie meine Füße in ihren tatsächlich kühlen Händen und wiegt sie, als müsse sie das Gewicht prüfen.
    Ich öffne schnell die Augen, Gesicht, sage ich sicherheitshalber noch einmal deutlich.
    Ich habe Sie schon verstanden, entgegnet Frau Meng Woh, auf einmal in akzentfreiem, gestochenem Oxford-Englisch, aber so fange ich an. Schließen Sie doch am besten die Augen.
    Doch jetzt geht es nicht mehr, ich bin überrascht von Frau Meng Wohs anderer Art zu sprechen und vom festen Griff ihrer Hände an meinen Zehen, für die ich mich plötzlich heftig schäme, sie sind krumm und verhornt, ich habe mit keiner Berührung gerechnet. Ich schaue ihr zu, wie sie prüfend über die Fersen und die harten Ränder meiner Zehen fährt, dann an jedem Zeh einzeln zieht, um sich schließlich aufzurichten und mir zuzunicken, als hätte ich die zweite Aufgabe bestanden. Der Pinienduft ist harsch, vielleicht eine Vorschrift der Salonbesitzer, ich überlege, ob ich um einen anderen Duft bitten soll, der besser hierher passt, und wonach Frau Meng Woh wohl riechen mag.
    Unter halb gesenkten Augenlidern beobachte ich, wie sie mit den Fingern spielt und sich dann an meine rechte Seite setzt. Sie hält sich sehr aufrecht, ohne dabei hölzern zu wirken, dreht sich nach links und rechts und richtet einige Tiegel, eine Schale mit Öl. Währenddessen strömt Dampf aus einer Düse über meine ausgetrocknete Kopfhaut, quillt über die Brauen, bis ich eingehüllt bin in Frau Meng Wohs selbstgemachte Wolken. Sie reibt sich die Finger mit einem Tuch, nimmt eine Pinzette und reißt mir sorgfältig alle Haare aus, die sie in meinem Gesicht findet. Nur einen schmalen Bogen lässt sie von meinen Brauen. Ich schweige, während meine Augen feucht werden und die Nase zu laufen beginnt. In ihrem Blick suche ich nach Verachtung für mein aufgelöstes Gesicht, aber ihre Augen haben sich verengt, und sie fixiert einzelne Unreinheiten, die sie mit dem Druck beider Zeigefinger ausquetscht und wegwischt, während sie fragt, und warum sind Sie hier.
    Gesicht, murmele ich.
    Ich meine, hier in Singapur.
    Ich reiße die Augen weit auf, um zu sehen, ob dies eine weitere Aufgabe ist, die es zu bestehen gilt, oder ob sie es wirklich wissen will.
    Und warum bin ich hier. Ich bin hier, weil ich die Stadt kennenlernen möchte. Weil ich noch nie hier war. Weil es hier gute Mitbringsel gibt. Weil Singapur ein stopover ist. Weil ich eine Auszeit brauche. Was heißt Auszeit auf Englisch. Oder auf Mandarin.
    Frau Meng Woh wartet, die Pinzette zwischen Daumen und Zeigefinger, geduldig, aber unnachgiebig auf meine Antwort. Ich habe länger gezögert, als sich ziemt.Ich räuspere mich und sage, ich bin geschäftlich hier.
    Aber das genügt nicht, ihr Blick bleibt fragend auf mich

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