Man kann sich auch wortlos aneinander gewöhnen das muss gar nicht lange dauern
Regenwasser, nicht für mich bestimmt. Obwohl ich nichts zu ihr gesagt habe und auch viel zu weit weg sitze, weià sie, dass meine Kehle glüht, sie muss gesehen haben, wie ich mein Gesicht in den Händen vergraben habe, sie könnte zu mir herüberkommen und mir eine Hand auf die Schulter legen, oder besser noch: auf das Gesicht legen.
Sie könnte beide Hände um mein Gesicht legen.
Auf einmal weià ich sicher, dass es mir dann besser ginge, und weiÃ, dass sie es tun muss, sonst halte ich es nicht aus, ich krümme mich, so sehnsüchtig will ich, dass diese Frau mich hält, und als ich es nicht mehr aushalte, stehe ich plötzlich auf, den Stuhl nach hinten stoÃend, und gehe.
Mein Bruder hat sich zwei schwarze Hemden gekauft. Wir sitzen zusammen, sein struppiges Haar, seine ungeschickten Bewegungen, wenn er aufsteht und uns etwas zu trinken holt. Wir haben eine vergängliche schwarze Keramikurne ausgesucht und ein Holzkreuz und einen Spruch für den Pfarrer. Vergänglich, sagt der Bestatter, das heiÃt: sie wird sich auflösen. Wie lang das dauert? Kannst du dir ausrechnen.
Nur den schwarzen Stein habe ich nicht mehr finden können.
Frau Meng Woh und die Schönheit
Ich solle alles Schlechte drauÃen lassen, sagt Frau Meng Woh, als ich, den Behandlungskittel am Hals locker zugebunden, mit hängenden Armen vor ihr stehe. Ich weià nicht, welches Schlechte und welches DrauÃen im Besonderen sie meint, ich bewege mich seit Stunden in der klimatisierten Frischluft der Singapur Paradise Shopping Mall, deren Ein- und Ausgänge sich verloren haben in den Fluchten sanft ausgeleuchteter Boutiquen. Es gibt Teichlandschaften, kleine Wälder, vorhin bin ich sogar an mehreren Vogelvolieren vorübergeschlendert; vielleicht soll ich das Schlechte dort lassen, in den geriffelten Sandböden oder dem malerisch geschwungenen Astwerk, in das sich winzige Vögel hineingefädelt haben, oder in dem Restaurant ohne Wände, das sich durch mehrere Hallen auszudehnen schien, überall die gleichen Theken und Leuchtschilder für Schalen mit Reis, Gemüse, Huhn, vielleicht sind es auch mehrere Betreiber, die hier ein Land der grenzenlosen Gastronomie geschaffen haben, daran kann Frau Meng Woh nichts auszusetzen haben.
Ich kenne seit fünf Sekunden ihren Namen, weil sie ihn an die schmale Brust geheftet hat, aber vielleicht könnte das glänzende Schild auch eine Berufsbezeichnung sein oder ein Ehrentitel, Doktor der Schönheit, Dame des Hauses, Lady mit den schmalen Händen, Chefin, Manager of the Beauty Salon Seven Pines; warum gerade Pines, hier gibt es keine Pinien, es könnte also alles bedeuten, und Frau Meng Woh wird es mir nicht erklären, das Fragen habe ich mir hier abgewöhnt. Ich habe einen Termin und das Geld schon am Empfang bezahlt, wo eine andere Dame mit einem anderen Schild mich angelächelt und mir einen scharfen Ingwertee gereicht hat, der im Rachen ein unangenehmes Brennen hinterlieÃ. Dann hat sie mir diesen Kittel umgelegt, den ich selbst binden sollte, aber ich kann Schleifen nur, wenn ich sehe, was meine Finger tun, und wollte die Dame nicht um Hilfe bitten, sie hätte es auch nicht getan, es war eine erste Aufgabe, die ich nur unzulänglich bewältigte.
Deswegen löst sich das Band am Bündchen schon fast wieder, bevor Frau Meng Woh überhaupt Hand an mich angelegt hat. Sie tut so, als bemerke sie es nicht. Sie neigt den Kopf und lässt mich eintreten, obwohl niemand überprüft hat, ob ich das Schlechte drauÃen gelassen habe. Das Behandlungszimmer für die Verschönerung ist rein und Schall isoliert, mit dicken, weichen, schneeweià gepolsterten Wänden, wie frisch aufgeschüttelt, nur dass Frau Meng Woh nicht aussieht wie Frau Holle, sondern schmal und als hätte sie kühle Hände. Ich werde von Frau Meng Woh zu einer Liege geführt, auf die ich mich viel zu plump fallen lasse, wie überhaupt meine Bewegungen anmutiger und vor allem leiser sein müssten, ich bin zu laut und vor allem verschwitzt, es ist kaum zu vermeiden in Singapur, obwohl ich schon seit Stunden durch den Eiswind der Paradise Shopping Mall heruntergekühlt bin.
Frau Meng Woh schwitzt nie, sie sieht frisch gesäubert und zeitlos aus, ihre Augenbrauen zu schönen Bögen gezupft, ansonsten hat sie auÃer dem schwarz glänzenden Haarschopf keinerlei Härchen im Gesicht, soweit ich bisher erkennen
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