Man lebt nur ewig
sein Manager dabei gewesen. Ich spürte sofort eine gewisse Verbundenheit mit ihm. Es war einfach Bockmist, seine Ängste vor der Welt verstecken zu müssen. Ich schenkte ihm ein warmes Lächeln und machte eine Verbeugung.
»Hi, ich bin Lucille, und das ist Cole.«
Er verbeugte sich ebenfalls, was Lai so lustig fand, dass er es noch mindestens zwanzig Mal wiederholen wollte. Das vermittelte er, indem er sich nach vorne warf, sodass Dad ihn auffangen und wieder in die Senkrechte bringen musste. Das machte er die ganze Zeit, während wir uns unterhielten.
»Ich bin Xia Shao«, stellte Dad sich vor. »Meine Frau Ge sagt, ihr gerettet Lais Leben. Ich danke euch.« Er ver- beugte sich tief.
»Es war uns eine Freude«, versicherte Cole.
Als er sich wieder aufrichtete, sagte Shao: »Ge sagt, ihr seid sehr nette Leute. Gute Leute.« Er starrte uns ein- dringlich an, als hätten seine Augen die Macht, alle bösen Tendenzen, die wir vielleicht verbargen, zu enthüllen. Schließlich zuckte er hilflos mit den Schultern. »Sie kennt Leute. Ich vertraue ihr. Sie sagt, ich mit euch reden soll.«
»Sie ist sehr liebenswürdig«, erwiderte ich. »Eine gute Mutter.« Ich schüttelte bewundernd den Kopf. »So ge- duldig.«
Er lächelte schief. »Normalerweise.« Wir sahen zu, wie Lai noch ein paar Verbeugungen machte, bevor Shao fort-
fuhr: »Ich arbeite …« Er deutete ruckartig mit dem Kopf auf die atemberaubende Akrobatenarena. »Meine Freun- de da.« Er zuckte mit den Schultern. »Du reisen zusam- men, du arbeiten zusammen, stehen sich nahe.«
Cole und ich nickten.
»Ich habe Freunde …« Shao wandte den Blick ab und kniff die Augen zusammen, als er gegen die Tränen an- kämpfte. »Sie verschwinden. Ihre Kleidung, Ausrüstung, alles noch in Wohnwagen, aber keine Freunde. Sie kom- men nicht zur Show heute.« Nun sah er uns an und ver- suchte uns zu vermitteln, wie bizarr er dieses Verhalten fand. »Etwas ist furchtbar falsch.«
Vor meinem geistigen Auge sah ich die Männer, die Lung angegriffen hatten, immer noch nass von ihrer Tour durchs Wasser zum Boot, und musste Shao Recht ge- ben - etwas war furchtbar falsch.
Nun, da Shao den schwierigen Teil ausgesprochen hatte, sprudelten die Worte schneller aus ihm hervor und waren immer schwieriger zu verstehen, da sein Akzent sich ver- stärkte. »Ich glauben, Chien-Lung haben etwas damit zu tun. Wisst ihr?« Er deutete mit dem Daumen Richtung Zelt. »Erste Reihe?«
Wir nickten. Junge, und wie wir wussten.
»Lung haben dieses Boot.« Nun deutete er auf die Constance Malloy . »Er bringen chinesische Mannschaft, um es zu führen, aber sie in Chicago festsitzen.« Er suchte nach dem Wort, fand es nicht, und zeigte uns stattdessen, was er meinte, indem er seine freie Hand über den Kopf hob und sie mit wackelnden Fingern langsam senkte.
»Schneesturm?«, riet Cole. Shao zeigte auf ihn und nickte. Aha! Nun verstand ich, warum wir das Glück ge- habt hatten, uns mithilfe des Catering-Auftrags ein- schmuggeln zu können. Es war sicher untypisch für Lung,
dass er Fremde an Bord seiner Jacht ließ. Aber wenn sein Personal durch den Schnee in Chicago festhing und die große Party bereits geplant war, hatte er keine andere Wahl gehabt.
Shao fuhr fort: »Mein Bruder, Xia Wu, ist in Mann- schaft. Ich habe Angst, was passieren, wenn er ankommt. Ich habe Angst, dass er auch verschwinden.« »Warum glaubst, dass er besonders gefährdet sein könn- te?«, fragte Cole.
Shao blickte erst über beide Schultern, dann hinter uns. Er beugte sich vor und brachte Lai so in die Reichweite von Coles riesigen Westenknöpfen. Der Kleine packte einen und versuchte, ihn in den Mund zu stecken, wäh- rend Shao flüsterte: »Wu in Armee. Genau wie Freunde waren. Sehr schhh.« Er hielt einen Finger an die Lippen, um die Geheimhaltung zu betonen.
Hm. Die Volksbefreiungsarmee will Chien-Lung also tot sehen. Tja, ich schätze, man kann einen solchen Coup nicht planen, ohne dass gewisse Gerüchte die falschen Adressaten erreichen. Wu war zweifellos dafür vorgesehen gewesen, Lung in der vergangenen Nacht zu überwälti- gen, doch die Verspätung seines Flugs hatte ihn aus dem Kampf herausgehalten.
»Was, wenn Chien-Lung das über meinen Bruder he- rausfindet?«, fragte Shao. »Vielleicht er auch verschwin- den.« Ich hielt das für eine realistische Möglichkeit. »Ich kann nicht mit chinesischen Behörden sprechen. Ich weiß nicht, wer Chien-Lung ergeben ist. Aber ihr. Ihr aus Amerika«, erklärte er
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