Man lebt nur ewig
ist diese Frau, für die ich mich interessiere«, sagte er und zwinkerte ihr zu. »Werde ich sie wiedersehen?«
Sie zögerte, brachte es aber selbst in diesem Augenblick nicht über sich zu lügen. Eine solche Entschlossenheit konnte man nur bewundern. »Ja.«
»Sie dürfen noch zwei weitere Fragen stellen«, erklärte Vayl. Ich konnte ihn nicht sehen, aber spüren. Er stand am anderen Ende der Bühne. Er hatte sich mit Cassandra darauf geeinigt, dass die Leute aus dem Publikum ihr je- weils drei Fragen stellen durften, in der Hoffnung, dass so Lungs Appetit auf eine private Sitzung angeregt würde.
»Werde ich jemals wieder heiraten?«
»Das sehe ich in ihrer Zukunft nicht.«
Er wirkte überrascht, zuckte dann aber mit den Schul- tern. »Und Ihre letzte Frage?«, schaltete sich Vayl ein.
»Okay, ähm. Morgen ist keine Schule, deshalb wollen mein Junge und ich in der Früh angeln gehen. Werden wir etwas fangen?«
Cassandras Hände, die fest um die Uhr geschlungen waren, zuckten. Ihre Stimme klang, als sie schließlich ant- wortete, so angespannt, dass ich fast ihre Stimmbänder reißen hören konnte. »Nichts, von dem Sie wollen, dass er es vom Haken nimmt.«
Das Publikum hielt geschlossen den Atem an. »Dann gehe ich wohl doch besser mit ihm in den Zoo«, sagte
Preston. Alle lachten, außer ihm, Cassandra und Vayl. Als ich Preston ansah, hatte ich das Gefühl, er wusste, dass sie ihm die wichtigsten Wahrheiten vorenthielt.
Vayl trat in die Mitte der Bühne. Er hielt eine glänzende schwarze Schüssel in der Hand. Wie geplant hatte Berg- man die abgerissenen Kartenhälften des Publikums hin- eingetan. »Nun wird es Zeit, den Gewinner zu verkün- den, welcher eine private Sitzung mit Cassandra erhält, der eine Bauchtanzeinlage der berühmten Lucille voraus- geht. Dazu gibt es kostenlose Erfrischungen. Sie wird stattfinden, sobald sich das Zelt geleert hat. Wir ermitteln den Gewinner durch die Nummer seiner Eintrittskarte, also schauen Sie nun bitte auf Ihre Karten.«
Er rührte die Kartenhälften einmal durch und sagte: »Und der Gewinner ist … Nummer Einhundertdrei.« Er sah sich um. »Wenn Sie mir bitte Ihre Eintrittskarte brin- gen würden …«
Lungs männlicher Begleiter, der ihre Karten hatte, be- gann Lung ins Ohr zu flüstern und auf seinem Sitz he- rumzuhüpfen. Er wirkte so aufgeregt wie ein alter Opa, der gerade im Bingo gewonnen hat. Als Lung nickte, sprang er auf und reichte Vayl die Karte, der daraufhin vorgab, sie zu prüfen.
»Das ist sie!«, verkündete Vayl schließlich. Er streckte die Hände in Richtung Publikum aus. »Bitte schenken Sie unserem glücklichen Gewinner und den Künstlern des heutigen Abends noch einen herzlichen Applaus.« Das Publikum gehorchte. Als sie hinausgingen, sagte Vayl: »Vielen Dank, dass Sie gekommen sind, und kommen Sie gut nach Hause!«
Ich hielt den Blick auf Lung gerichtet, der von beiden Seiten traktiert wurde. Seine Freundin zischte ihm ins eine Ohr und gestikulierte scharf, wodurch deutlich wur-
de, dass sie mit der Entwicklung der Ereignisse keines- wegs zufrieden war. Der neue Vampir quasselte ihm ins andere Ohr und überredete ihn zu bleiben, sich zu ent- spannen, und Spaß zu haben.
Lung hörte beiden zu, doch sein Blick folgte den Xias, während sie das Zelt verließen, und blieb schließlich hungrig an Lai hängen, der an der Schulter seines Dads döste. Keine Sorge, du Freak , dachte ich. Wir haben genau den richtigen Snack für dich.
Schließlich richtete Lung den Blick auf Vayl. »Ich bin wahrlich vom Glück gesegnet«, sagte er mit einem perfek- ten britischen Akzent. »Würde es Ihnen etwas ausma- chen, wenn ich aufstehe? Diese Bänke sind für mich ein wenig ermüdend.«
»Selbstverständlich. Wenn Sie bitte hier warten wür- den, ich bringe Cassandra nach hinten, damit sie sich aus- ruhen kann. Lucille wird in Kürze hier sein, um Sie zu unterhalten.«
Schluck. Ich klammerte mich an den Vorhang, als könn- te nur der mich während der Übelkeitsattacke, die mich gerade heimsuchte, aufrecht halten. Jetzt würde ich nur für drei tanzen, doch die Intimität einer solchen Situation weckte in mir den Wunsch, mich in einen knöchellangen Mantel zu hüllen. Ich schloss die Augen und holte tief Luft. Sei kein Weichei. Du schaffst das. Du musst das schaffen. Ich streichelte die 38er an meinem Oberschenkel wie einen geliebten Hund. Das beruhigte mich so weit, dass ich Vayl und Cassandra mit einem entspannten Lä- cheln gegenübertreten
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