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Man lebt nur ewig

Titel: Man lebt nur ewig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Rardin Charlotte Lungstrass
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ganze Zeit direkt neben dir sein, wenn er da ist.« Im Zelt trat für einen Moment Stille ein, gefolgt von einem kräftigen Applaus. Dann begann Vayl sein letztes Lied. »Wir wissen von Yetta Simms, dass Lung Weinbergschnecken liebt. Wir werden ihm also ein Ta- blett mit Köstlichkeiten anbieten und hoffen, dass er in der Stimmung ist zuzugreifen.« Cassandra wusste das alles bereits, aber ich musste dafür sorgen, dass sie abge- lenkt war, daher diese Zusammenfassung. Wenn ihr ana- lytischer Verstand sich verabschiedete, würde sie erstarren wie ein Mathematikgenie bei einem Buchstabierwettbe- werb.
    »Und wenn er nichts isst?«, fragte sie.
    »Denken wir uns einen anderen Weg aus, wie wir ihn dazu bringen, die Pille zu schlucken. Vielleicht schmug- geln wir sie unter seine Vitamine oder so was. Das kommt dann später - eventuell. Jetzt ermuntere ihn erst mal, et-
was zu essen. Iss am besten selbst etwas, aber halte dich von den Schnecken fern.«
    Sie nickte. Nun wirkte sie einigermaßen ruhig, doch nur, bis sie auf ihre Hände blickte. Ihre langen, schlanken Finger wanden sich umeinander wie frisch geschlüpfte Schlangen.
    »Hey, Cassandra«, meldete sich Cole. »Das wollte ich dir noch sagen: Dein Freund sitzt im Publikum.« Er sagte das so, als wären wir gerade in die Grundschule zurück- versetzt worden und er würde sie verdächtigen, dass sie unter schwerem Läusebefall litt.
    »Mein … was?«
    Cole nahm seine Superheldenstellung ein - gespreizte Beine, Hände in die Hüften gestemmt, Kinn zum Him- mel gereckt - und sang: »Na-na-na-na, na-na-na-na, SWAT-Man!«
    »Oh Gott!« Cassandra klammerte sich an mich und grub ihre Fingernägel in meine Arme. Aua! »Jasmine! Die Vision!«
    Ich verbarg das Entsetzen, das meine Eingeweide ver- krampfen ließ, als mir bewusst wurde, dass nun jeder, der in ihrer Vision vorkam, seinen vorgesehenen Platz ein- genommen hatte. »Keine Sorge, Cassandra. Wenn ich die Schlange sehe, werde ich sie erschießen, bevor sie zu- schlägt, versprochen.«
    »Ich werde ebenfalls da sein«, versicherte Cole ihr.
    Ich musterte Cassandra und fragte mich, wie sie es schaffen sollte, das durchzuziehen - mit all diesen Gedan- ken an den Tod und einer Zukunft, die von einem Killer in Ausbildung, einer Frau mit mehr Narben als Verstand, einem geistig abwesenden Vampir und einem paranoiden Erfinder abhing. Doch ich schätze, ich wusste es bereits. Sie würde es schaffen, weil sie es schaffen musste. So ge-
lingt es Leuten wie uns letztendlich immer, eine Hölle wie diese zu überstehen.
    Der Applaus schwoll an und nahm wieder ab, als Vayl unsere Hauptattraktion ankündigte. Cole hielt Cassandra die Rückseite des Zelts auf, und sie betrat den Bühnenbe- reich, wobei sie elegant dem Pfeiler auswich, der mir we- nige Minuten zuvor fast eine Gehirnerschütterung einge- tragen hatte. Sie holte ein paar Mal tief Luft. »Wie sehe ich aus?«, fragte sie.
    Sie hatte ihre Zöpfe mit einem leuchtend blauen Schal zurückgebunden. Ihr farblich passender Rock war mit schwarzen Paillettenblumen bestickt. Das ärmellose schwarze Oberteil bildete den perfekten Rahmen zu ei- nem der Schmuckstücke, die sie mir nicht geliehen hat- te - einem goldenen Halsband, das knapp unterhalb ihrer Ohren begann und bis über die Schlüsselbeine reichte. »Ganz ägyptische Königin«, sagte ich.
    Sie nickte lächelnd, doch die Freude erreichte ihre Augen nicht.
    Vayl schlug den hinteren Vorhang zur Seite. Der Ap- plaus zog sie nach vorne.
    »Wird sie klarkommen?«, fragte Cole.
    »Ich denke schon. Aber dass der SWAT-Kerl hier ist, ist kein gutes Zeichen. Er stirbt in ihrer Vision ebenfalls.«
    »Es muss furchtbar sein, ein Medium zu sein.« Geflüs- tert fügte Cole hinzu: »Wir haben Gesellschaft.«
    Da hörte ich es auch, leise Schritte, gepaart mit dem Quietschen eines aufgedrehten Babys. Xia Ges Mann kam um die Ecke des Zelts. Er trug Lai, der seinem Vater er- staunlich ähnlich sah, wenn man den Altersunterschied und ihre gegensätzlichen emotionalen Zustände berück- sichtigte. Lai war offensichtlich der Meinung, mit Dad spazieren zu gehen, sei das Allerbeste überhaupt. Er
hopste auf dem Unterarm seines Vaters herum und patschte ihm regelmäßig auf die breite Brust und die kräf- tigen Schultern, als wäre Lai eine Ein-Baby-Band und Dad sein Instrument.
    Dad andererseits wirkte, als würde er gleich losheulen. Das war nicht die Miene, die er im Zelt zur Schau getra- gen hatte, aber da waren ja auch seine Familie und

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