Man lebt nur ewig
lichen Antwort«, mutmaßte Cole.
»Er hat einen Gegenstand gestohlen, der, wenn man ihn vervielfältigen kann, seine Armee fast unüberwindlich macht. Warum hat er also nicht die nächste Rakete nach China genommen?«
Cassandra wandte ein: »Meinst nicht eher, warum hat sich Pengfei nicht verdünnisiert?«
»Ja, wahrscheinlich.«
»Ich verstehe gar nichts mehr«, sagte Jericho.
Ich lehnte mich in meinem Stuhl vor. »Also, heute Abend wird Lung eine vollständig chinesische Crew auf seiner Jacht haben. Er hat Zeit totgeschlagen und darauf gewartet, dass sie eintreffen. Was sagt euch das?«
Sie sahen mich an, ihre Gesichter eine Studie der Aus- druckslosigkeit.
»Sie ist sein Fluchtwagen … äh …boot«, erklärte ich. »Deswegen ist er immer noch hier. Er konnte nichts un- ternehmen, weil seine Crew noch auf dem Weg von China hierher war.«
»Also wird er heute Nacht verschwinden?«
»Ich denke schon, aber vorher wird noch etwas anderes passieren.« Ich wandte mich an Jericho. »Logistisch ge- sprochen ist dieser Ort darauf angelegt, zu explodieren. Es wird gerammelt voll sein, überall Menschen. Die Si- cherheit ist beschissen, und die Typen, die von den Veran- staltern angeheuert wurden, sind fast alle nicht richtig ausgebildet.«
Mir kam ein weiterer Gedanke. »Das kleine Drama mit unserem brennenden Zelt gestern könnte sogar ein Test- lauf gewesen sein, um zu sehen, wie viel Chaos sie anrich- ten können und wie lange es anhält.« Dann fiel mir wieder ein, wie Pengfei Li das Herz herausgerissen hatte. »Oder auch nicht. Wie dem auch sei, ich würde mich jedenfalls wesentlich besser fühlen, wenn du dafür sorgen könntest, dass es hier heute Abend nur so wimmelt von Polizisten, die gerade nicht im Dienst sind. Sie sollten aber alle wis- sen, dass du das Kommando hast, falls etwas schiefgeht.«
Er hatte bereits angefangen zu nicken, als ich noch mit- ten in meiner Rede steckte. Sobald ich fertig war, sprang er auf und hängte sich an das Telefon, das Bergman repa- riert hatte. Er ging von uns weg und schlenderte über den gewundenen Pfad, der zur Arena der Akrobaten führte.
Cassandra beobachtete ihn und sank ein wenig in sich zusammen, als er sich weiter entfernte. »Er war so nett.«
»Ja.«
»Und sieh dir nur diesen Hintern an.«
Ich musterte das erwähnte Objekt. »Definitiv Ober- klasse. Aber nichts für Cassandras Hände?«
Traurig schüttelte sie den Kopf. »Nun steht eine an- dere Frau zwischen uns. Wir werden ihr innerhalb eines Monats begegnen.«
»Ist sie hübscher als du?«
Cassandra begann zu grinsen.
»Also?«
»Nein.«
»Ha!«
»Jaz!«
»Du musst dich auch über die kleinen Siege freuen, meine Liebe.«
28
J ericho kam zurück, blieb aber nicht lange. Die Pflicht rief. Nachdem wir vereinbart hatten, uns später am Abend wieder zu treffen, verabschiedeten wir uns also.
»Und was jetzt?«, fragte Cole.
Wir standen zu dritt unter dem Sonnensegel vor dem Wohnmobil. Langsam fühlte ich mich schuldig, weil ich Bergman so lange allein ließ, doch ihm gefiel es so viel besser. Auf unserer nächsten gemeinsamen Mission wür- de ich es ganz oben auf meine Prioritätenliste setzen müs- sen, an seinen sozialen Fähigkeiten zu arbeiten, auch wenn er das nicht für notwendig hielt. Ich meinte: »Das liegt ganz bei dir, Cassandra. Was brauchen wir alles für den Verkleidungszauber?«
Sie hob einen Finger. »Das habe ich letzte Nacht noch nachgeschlagen. Ich hole schnell das Buch.«
Sie ging hinein.
Ich wartete auf das knurrende, fauchende Geräusch, mit dem unser Hausneurotiker ihr den Kopf abreißen würde, doch sie kehrte unversehrt zurück, im Arm einen müf- felnden alten Wälzer, dessen Einband aus etwas zu beste- hen schien, das aussah wie …
»Sag mir bitte, dass das nicht Menschenhaut ist«, sagte Cole.
»Ist es nicht«, erwiderte sie. »Ich glaube, es ist Lamm.«
»Lamm ist auch nicht viel besser«, erklärte ich ihr. »Weißt du, da, wo ich aufgewachsen bin, so von 1988 bis
1990, konnte man in den Geschäften nicht einmal Lamm- fleisch kaufen.«
Cassandra schüttelte traurig den Kopf. »Das erklärt ei- niges über dich«, sagte sie.
Cole lachte leise, bis ich ihm auf den Fuß trat. »Also«, fragte er schnell, »was sagt denn das Buch mit dem gruse- ligen Einband?«
Sie öffnete es an einer Stelle, die sie mit - kein Scherz - einem Stück Toilettenpapier markiert hatte. Das Buch quietschte. Cole und ich tauschten einen vielsagenden Blick. Er ließ seine Hand
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