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Man lebt nur zweimal

Man lebt nur zweimal

Titel: Man lebt nur zweimal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiner Lauterbach
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auch, man solle dem anderen seinen Glauben an Gott lassen, so wie man ihn auch in dem Glauben lassen sollte, dass seine Frau schön und seine Kinder intelligent seien. Und er sagt noch: »Wenn Sie nicht sicher sind, ob Sie an Gott glauben sollen oder nicht, dann empfehle ich Ihnen, an ihn zu glauben. Wenn es ihn gibt, tun Sie gut daran, an ihn zu glauben, wenn nicht, ist es sowieso wurscht.«
    Und wenn die Kirche auch nur ein paar Leuten auf der Welt hilft, ihre Armut oder Trostlosigkeit etwas besser zu ertragen, dann ist da ebenso wenig gegen einzuwenden. Die selbstlose Menschenliebe, für die Jesus steht, finde ich ganz großartig. So einen Menschen suche ich allerdings noch.
    Unsere Kinder sind getauft. Viktoria wollte das gern, und ich habe mir gedacht: Sie können das ja ignorieren, aber sich dann mit 18 noch mal taufen zu lassen wäre ja irgendwie auch blöd. Ich mag ja die Rituale der Kirche auch. Mir geht es da vermutlich wie vielen. Ich mag die schönen Gebäude und die Musik, die familiären Feiertage und die alten Bräuche. Das ganze Drumherum, der Glanz und Pomp, die Institution als solche, das mag ich weniger. Ich mag weder die Wortmeldungen des Papstes zum Kondomgebrauch in Afrika noch zum Beispiel den Automatismus, mit dem die Kirchensteuer vom Einkommen abgezogen wird.
    Das dürfte kein Automatismus sein, sondern müsste umgekehrt von jedem Steuerwilligen freiwillig erst mal veranlasst werden. Aber klar, natürlich würde eine solche Regelung die Kirche Milliarden kosten. Denn die meisten zahlen die Steuer ja aus Faulheit, und wenn sie es schon nicht schaffen, sich abzumelden, würden es sicher noch weniger schaffen, sich eigens zur Kirchensteuer anzumelden.
    Dennoch: Wir sind ja nun mal eigentlich ein säkularer Staat, daher mutet dieser überkommene Vorteil der Kirche verdammt ungerecht an. So einen Automatismus würde ich mir eher in anderen Bereichen wünschen, zum Beispiel beim Organspendeausweis. Den könnte man doch erst mal an alle verteilen. Und man muss dem eigens widersprechen, wenn man ihn doch nicht haben will.
    Außerdem finde ich es ein bisschen feige, in der Gottfrage sozusagen auf Nummer sicher zu gehen. Lieber ein bisschen glauben und dann steht man schon mit einem Fuß an der Himmelspforte. Das ist ein bisschen so, als ob man Bayern-München-Fan wird, weil der eigene Verein zu schlecht ist und man auch auf der Gewinnerseite stehen will, egal wofür und für wen.
    Ich finde es tapferer, den Schwierigkeiten der Welt ohne Trostpflaster entgegenzutreten. Ich darf das sagen, ich bin 1. FC Köln-Fan. Aber vielleicht habe ich in meinen frühen Jahren auch zu viele existenzialistische Theaterstücke gespielt. So sagt der französische Philosoph Albert Camus im Mythos von Sisiphos, die eigentliche Herausforderung bestünde darin, seinen Stein jeden Tag wieder auf den Berg hinaufzurollen, auch wenn man weiß, dass es völlig sinnlos ist und er ohnehin gleich wieder hinunterkullert.
    DIE VORTEILE DER TREUE
    Es ist schon ein bisschen seltsam, dass ich das erst in so späten Jahren festgestellt habe: Wie schön es zum Beispiel ist, wenn man keine Geheimnisse voreinander hat. Ich kann zu Viktoria heute völlig entspannt sagen: Geh doch mal kurz hoch und gucke in meinem Schreibtisch, ob die Unterlagen da liegen. Oder ich kann mein Handy auf dem Couchtisch vergessen, ohne dass ich deshalb gleich in Panik verfalle. Viktoria kann sogar alle meine SMS und E-Mails lesen, wenn sie möchte. Ich bin mir sicher, dass sie es nicht tut. Sie hat garantiert Wichtigeres zu tun. Früher bin ich schon zusammengezuckt, wenn nur das Telefon geklingelt hat. Von null auf hundert in drei Sekunden war dann die Devise; kleiner Spurt vom Sofa, um mögliches Unheil abzuwenden.
    Unglücklich war es immer, wenn man behauptet hat, die Nacht bei einem Freund verbracht zu haben, und der Trottel hat in der Zwischenzeit angerufen und meine Liebste gefragt wo ich denn stecke, ich hätte mich ja so lange nicht gemeldet. Überhaupt war ich in diesen Dingen immer ein schlechter Lügner und ein phantasieloser Ausredenerfinder. Ein paar Kostproben gefällig?
    Lippenstift am Hemdkragen: ganz üble Sache. Die Nummer, man hätte einem blinden Clown über die Straße geholfen und der hätte sich dann überschwänglich bedankt, kann man natürlich nur ein Mal bringen.
    Lange, blonde Haare am Pullover: »Ich sage Peter schon seit Jahren, er soll zum Frisör gehen.« Na ja.
    Oder Zettelchen in der Jackentasche: Es war schön mit dir. K.

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