Man lebt nur zweimal
Gästezimmer ausquartiert wurde.
So ähnlich ist das auch bei uns, nur dass wir keinen Hund besitzen. Viktoria herrscht nicht nur über Haus und Hof und unsere Hausangestellten, sie hat auch das deutlich bessere Händchen für Einrichtung und Mode. Sie weiß auch immer, was gut zu mir passt, was mir stehen würde. So sagt sie mir oft, was ich anziehen soll. Falsch: Sie sagt mir immer, was ich anziehen soll.
Eine typische Szene sieht in etwa so aus:
Wir sind eingeladen. Viktoria ist in der Ankleide und zieht sich etwas Schönes an. Vermutlich weiß sie schon morgens nach dem Aufstehen ganz genau, was sie am Abend tragen wird. Falsch, vermutlich weiß sie schon am Abend vorher, was sie tragen wird. Es wird fantastisch aussehen, das ist keine Frage. Es ist in all den Jahren unserer Ehe nicht ein Mal vorgekommen, dass ich etwas nicht mochte, was sie getragen hat. In Stilfragen steckt sie die britische Queen in die Tasche.
Auch ich stehe inzwischen oben in meiner Ankleide. Ich weiß ja, dass Viktoria empfindlich ist, wenn ich Sachen anhabe, die nicht zusammenpassen. Also gehe ich die Hemden, Pullover und Anzüge durch. In einer Viertelstunde kommt das Taxi. Ich will es richtig machen, gebe mir aufrichtig Mühe. Eine Jeans, ein weinroter Pullover, ein gestreiftes Hemd, nein, doch lieber Weste und Anzug? Nein die Cordhose. Oder die Jeans und das blaue Hemd? Ich betrachte mich im Spiegel. Ich finde okay, was ich gewählt habe. Gut gelaunt springe ich die Treppe hinunter.
»Wir können los!«
Viktoria steht schon unten in der Küche, sie hat sich noch einen Espresso gemacht. Als sie mich sieht, gerät sie in einen Zustand, den ich mit »Schockstarre« umschreiben würde. Eine Mischung aus Ekel, Belustigung, Mitleid, Wut und eben Schock und Starre. Heute reicht ein Blick, um mich in einer flüssigen Bewegung auf dem Absatz umdrehen und wieder in die Ankleide dackeln zu lassen. Diese U-Turns gehen mir inzwischen ganz locker von der Hacke. Nach dem 180-Grad-Schlenker werde ich von meiner Frau in meine Ankleide verfolgt, die nun selbst die Sachen für mich aussucht.
Am Anfang unserer Beziehung wollte ich mich wehren. Später wenigstens noch drüber diskutieren. Heute kürze ich das alles ab und zieh mich um. Viktoria kriegt immer, was sie will.
Jetzt gibt es also ein neues Ensemble, von der Chefin ausgesucht, endlich etwas, was wirklich passt, was wirklich Sinn macht, was das Auge nicht beleidigt und im Zweifel auch bei Licht präsentiert werden könnte. Nur totale Mode-Analphabeten würden den Unterschied jetzt nicht bemerken.
Ich habe kein Problem damit, mich von Viktoria in Kleiderfragen beraten und im Zweifel auch ein wenig herumscheuchen zu lassen. Viktoria kauft für mich ein und sortiert aus, was ich nicht mehr anziehen darf.
Viktoria kennt sich auch besser mit Computern aus. Bevor wir geheiratet haben, hat sie als Webdesignerin gearbeitet. Wir haben zwar inzwischen zusammen einen Computerkurs belegt, ich hatte mal das Ziel, den Abstand einzuholen, aber sie ist mir da immer noch um Längen voraus. Insgesamt hat sie mehr Geduld im Umgang mit technischen Geräten. Gebrauchsanweisungen zu lesen ist für mich ein Graus, die kann man mir genauso gut auf Koreanisch vorlesen.
Die Hausaufgabenbetreuung der Kinder übernimmt Viktoria zusammen mit dem Kindermädchen. Auch bei den Matheaufgaben, wenn es da später mal schwieriger werden sollte, bin ich vermutlich nicht der Richtige. Dass Viktoria deutlich mehr Muße und Geduld mit den Kindern hat, liegt auf der Hand. Könnte man unsere Nervenstränge herausoperieren und nebeneinanderlegen, ihre wären sicherlich doppelt so dick wie meine.
Viktoria ist auch zuständig für alle Büro- und Finanzangelegenheiten, die ganze Verwaltung, die Bankgeschäfte inklusive der Geldanlage. Ich überlasse ihr alle Geldangelegenheiten – ich verdiene das Geld nur, sie mehrt und verwaltet es. (Und gibt es aus.) »Wie kannst du deiner Frau Einblick in deine Finanzen erlauben?!«, hat mich mein Vater mal gefragt, obwohl der Satz auch gut von Rockefeller sein könnte.
Das ist natürlich ein arg verstaubtes Rollenmodell, heute teilt die Mehrzahl aller Paare ganz selbstverständlich ihre Konten.
Ich habe das mal nachgeschlagen, weil mich das interessiert hat: In Deutschland wirft mehr als jedes zweite Paar alles Geld in einen Topf, und nur bei einem Viertel führen beide ihre eigenen Konten weiter. Wenn es darum geht, wer das gemeinsame Geld verwaltet, dann zeigt sich eine witzige
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