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Man lebt nur zweimal

Man lebt nur zweimal

Titel: Man lebt nur zweimal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiner Lauterbach
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Mars.
    Da klopft es. »Was ist denn?«, sage ich genervt und schwinge mich in meinem Drehsessel Richtung Zimmertür. Ich öffne sie und vor mir steht eine charmante Kollegin.
    Zum Beispiel, um die Situation mal wieder ein wenig zuzuspitzen: Michelle Pfeiffer.
    Mir gefällt die ganz gut.
    Michelle will nur mal vorbeischauen, um sich – spinnen wir mal weiter – die Bibel aus meiner Hotelzimmerschublade zu leihen. Ihre ist einfach nicht aufzufinden.
    Ich verstehe das total. Keine Nacht hielte ich es ohne Bibel aus.
    Michelle ist der Hammer.
    Ich ziehe meine Schublade auf und überreiche ihr das Buch mit einem freundlichen Lächeln.
    »Danke«, sagt sie.
    »Bitte«, sage ich.
    Die Worten klingen wahnsinnig bedeutungsvoll.
    Etwas knistert. Es muss das Feuer im Kamin sein.
    Gelegenheit macht Liebe. Ist ja klar: Wenn man einem Esel permanent die Möhre vor die Nase hält, muss man sich nicht wundern, wenn er irgendwann zuschnappt. Warum auch nicht. Ich war ein ziemlich großer Esel, mit einem gesunden Appetit und einigem Erfolg bei den Möhren. Es gab in der Tat schlechtere Möglichkeiten, sich die Zeit auf einem Dreh zu vertreiben, als mit einem kleinen Flirt.
    Frauen haben ja ganz gute Möglichkeiten, ihre Absichten zu verdeutlichen. Dafür mussten die nicht gleich nackt in meinem Hotelzimmer stehen. Die Bibelfrage war ja eindeutig genug gewesen. »Blick ›jenügt‹«, wie mein Berliner Kollege Rolf Zacher immer sagt. Allerdings nur, wenn er wieder mal zu faul war, seinen Text zu lernen. »Da ›jenügt‹ doch ’n Blick.«
    Aber irgendwann – um im Bild mit dem Esel zu bleiben – mag man sich eben auch nicht mehr vor den Karren spannen lassen.
    Michelle – meine Bibel in der Hand, mein gehauchtes »Bitte!« noch im Ohr – guckt dann vielleicht etwas komisch, wenn ich sie nun freundlich zurück zur Tür begleite und mich entschuldige:
    »Meine Frau wollte gleich anrufen – du weißt ja, wie das ist.«
    Ich rufe noch hinterher:
    »Viel Spaß mit der Bibel – 1. Buch Moses, Genesis 19 soll übrigens fantastisch sein!«
    Meine moralische Anspielung ist natürlich nur was für Insider. In dem empfohlenen Abschnitt geht es um den Untergang von Sodom und Gomorra.
    Früher hätte mir nun sofort ein kleines Teufelchen ins Ohr gesprochen:
    »He Heiner, wirst du langsam alt, oder was ist los?« oder »Wir müssen uns doch wohl keine Sorgen um deine Potenz machen, mein Lieber?«
    Und dann:
    »Du gehst jetzt sofort hinterher und liest ihr das mit Sodom und Gomorra persönlich vor!«
    Wenn ich dann versucht hätte, mich schnell abzulenken, eine kleine Denksportaufgabe im Kopf zu lösen zum Beispiel, oder die Anzahl der Buchstaben in dem Satz »Ja, ich bin ein entsetzlicher Langweiler« zu zählen, dann hätte das Teufelchen sicher noch einmal nachgelegt.
    »Aber was spricht denn eigentlich dagegen.«
    Und:
    »Merkt doch keiner …«
    Der Teufel hat außerdem einen Hang zu philosophischen Überlegungen:
    »Es ändert doch auch überhaupt nichts.«
    »Der zeitgenössische Realitätsbegriff ist überholt.«
    »Es gibt immer mehrere Wahrheiten.«
    Am Ende wäre die Stimme in meinem Ohr sogar ein bisschen anzüglich geworden und dazu übergegangen, die ganz besonderen Vorzüge der Dame hervorzuheben.
    Warum sich der Teufel heute den Mund fusselig reden könnte und ich kein Interesse mehr hätte an einem Bibelstündchen, egal mit wem?
    Weil dieses schöne Gefühl dieser vollkommenen Aufrichtigkeit und des absolut reinen Gewissens dann getrübt wäre. Das allein spräche schon dagegen.
    Abgesehen davon, dass es nicht dabei bliebe. Ich wäre sicher nicht der Einzige, der von da an mit dem Wissen leben müsste, dass da etwas stattgefunden hat, was nicht hätte stattfinden dürfen. Damit meine ich gar nicht, dass Viktoria es herausfinden würde. Ich denke da eher an den Rest der Welt.
    Heute kann man ja gar nichts mehr unter dem Deckel beziehungsweise der Decke halten – alles kommt raus, wird fotografiert und getwittert und auf Facebook verbreitet, oder was weiß ich wo. Die Bild- Zeitung hat sogar das normale Volk schon angestiftet, als Leserreporter tätig zu werden – damit man wirklich vor niemanden mehr sicher ist. Journalisten erkannte man noch halbwegs zuverlässig an ihrer schlechten Kleidung und dem verschlagenen Lächeln.
    Aber inzwischen ist doch jedes Fotohandy zur Waffe geworden. Ich bin wirklich sehr froh, dass ich zu meiner wilden Zeit von der jüngsten Technikwelle verschont geblieben bin.
    Also hat mein neuer

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