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Man lebt nur zweimal

Man lebt nur zweimal

Titel: Man lebt nur zweimal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiner Lauterbach
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Allgemeinen und über das deutsche im Besonderen. Über Dramaturgie im Film. Über den deutschen Film. Über die Filmförderung. Bis er wieder auf unsere Geschichte zu sprechen kam.
    »Ach so, bevor ich es vergesse, dieser Junge da, mit dem Sie im Knast waren«, er deutete auf mich, »wie heißt er noch?«
    »Luik.« Wieder waren Niki und ich fast synchron.
    »Genau, dieser Luik. Es ist ja wohl klar, dass der sich am Ende nicht als Betrüger herausstellen kann.« Er sah uns an. Ich spürte, wie die Temperatur im Raum sank, man hätte auch von einem Blitzwinter sprechen können. Oder einer geöffneten Tiefkühltruhe mitten im Zimmer.
    Und um mir den Rest zu geben, setzte er noch eine Sprachschönheit hinterher, eines meiner absoluten Lieblingswörter:
    »Wenn der Typ, der dem Zuschauer den Film über so ans Herz gewachsen ist, sich am Ende als räudige Ratte herausstellt, dann ist das für uns ein No-go«, erklärte er uns, also den Autoren dieses Skripts, und zog einen triumphierenden Strich über die Seite.
    Nach der großen Tat lehnte er sich in seinem Sessel zurück und faltete gemütlich die Hände vor dem Bauch.
    Ich guckte ihn an. Er guckte mich an. Ich guckte Niki an.
    Mir fehlten erst einmal die Worte. Ich habe es sowieso satt, dass sich in unserem Gewerbe zunehmend Leute in Fragen mischen, die eigentlich gar nichts mit ihrem Beruf zu tun haben. Die nur das Geld besorgen, oder noch schlimmer – das Geld anderer verwalten. Es fällt mir schon schwer genug, diesen Menschen nicht zu sagen, sie sollen gefälligst ihre eigenen Drehbücher schreiben, wenn sie alles besser wissen. Es fällt mir schwer genug, nicht laut aufzuschreien, wenn Verwaltungsangestellte des öffentlichen Dienstes Besetzungen boykottieren, Inhalte verändern und gleich komplett bestimmen, was gemacht wird und was nicht, nur weil sie die Macht dazu haben, und sonst gar nichts. Sie kommen weder aus künstlerischen noch dramaturgischen Kreisen und sind meistens auch noch schlechte Geschäftsleute, die ihren Nachfolgern riesige Finanzlöcher und desaströse Großbaustellen hinterlassen.
    Es war immer das Gleiche: Es gab schlicht zu viele Menschen, die gerne irgendwas daherredeten, sich wichtig machten. Sie versprachen einem das Blaue vom Himmel. Mitunter völlig ohne Not und unaufgefordert. Einfach so. Nach dem Motto: Bevor ich nichts sage, rede ich lieber Stuss. Sobald man sie dann auf etwas festnageln will und das Geld einfordert, finden sie ein Schlupfloch, um sich wieder herauszuwinden.
    Vielleicht war seine Kritik nur ein billiger Vorwand. Vielleicht hatte er seine Meinung über die Genialität unseres Vorhabens geändert. Vielleicht hatte er sich denken können, dass an diesem Punkt nicht mit uns zu reden war und er hoffte, so aus der Sache rauszukommen. Vielleicht wollte er aber auch nur vor der anwesenden Sekretärin auf dicke Hose machen. Kleine Zipfelspielchen spielen. Ich weiß es nicht. Letztendlich ist es mir auch wurscht.
    Mag ja sein, dass sich viele Leute aus Angst um ihre Finanzierung schon hundert Meter vor ihren Geldgebern auf den Boden werfen, ihnen die Füße küssen und jeden Einfall wie einen Geniestreich bejubeln. Ich tue das nicht.
    Die Figurenentwicklung in unserem Drehbuch war absolut schlüssig und rund. Der Plot spielte mit den Erwartungen der Zuschauer – und verzichtete eben darauf, sie einfach nur plump zu bedienen. Da wollten wir ganz sicher nichts mehr dran ändern.
    »Ich glaube, ich habe das nicht ganz verstanden. Sie haben doch gesagt, dass sie bei der Entwicklung des Drehbuches gerne mitreden, aber die letzte Entscheidung natürlich bei uns, den Autoren, liegt. Wie meinen Sie das also genau?«, unterbrach Niki die Pause, die etwas zu lang geraten war. Er hatte die Sache genauso wiedergegeben, wie sie abgelaufen war.
    Der Herr wippte leicht in seinem Sessel vor und lächelte zufrieden. Er sagte es schon wieder, dieses Wort.
    »Wie gesagt. Das ist für uns ein No-go.« Er kam sich ungemein cool vor. »Wenn sich dieser Typ wirklich als böse herausstellen sollte, dann sind wir draußen.«
    »Ich habe eigentlich ein ganz gutes Gedächtnis, von dem ich lebe und auf das ich mich verlassen kann«, sagte ich nun ruhig. »Sie haben meiner Meinung nach gesagt, Sie wollen sich in Drehbuchfragen nicht einmischen. Aber selbst wenn ich mir das tatsächlich nur eingebildet habe, wie erklären sie sich dann, dass Niki unter der gleichen Amnesie leidet und parallel dazu unter der gleichen akustischen Halluzination? Wie

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