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Man lebt nur zweimal

Man lebt nur zweimal

Titel: Man lebt nur zweimal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiner Lauterbach
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55 Minuten von Kerner aus dem Studio komplimentiert wurde (›Ich entscheide mich für die anderen drei Gäste und verabschiede mich von Eva Herman‹), hatten sich alle Selbstgerechten nicht nur am falschen Objekt abgearbeitet, es endete auch eine der längsten Antifa-Sitzungen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Es ist ein Antifaschismus, der sich von seinem eigentlichen Gegenstand längst verabschiedet hat und dort am besten gedeiht, wo es keinen Faschismus gibt: in einem virtuellen Raum des wohlfeilen Widerstands.«
    Und dann zitiert er Johannes Gross: »Je länger das Dritte Reich zurückliegt, umso mehr nimmt der Widerstand gegen Hitler und die Seinen zu.«
    Lanz nun wird hingegen seine harmlose Nettigkeit vorgeworfen. Nun ja. In dem Verriss im Spiegel wird gegen ihn verwendet, dass er Klavier spielt. Man hört den Anti-Bürgerlichen-Impuls ja schon heraus. Und dann heißt es über das Gespräch mit einem Kandidaten der Piraten-Partei: »Die Biederkeit des lanzschen Vergnügens korrespondiert mit einem konservativen Populismus.« (…) Er versucht nicht einmal ernsthaft, die Idee hinter dem ›bedingungslosen Grundeinkommen‹ zu verstehen. Zu fasziniert ist er von der scheinbaren Abwegigkeit des Vorhabens und dessen Angreifbarkeit. Wenn er die Finanzierung durchgerechnet habe, sagt er einem Piraten, ›kommen Sie zu uns in die Sendung, damit wir morgens nicht mehr aufstehen müssen‹ (Gelächter, Applaus).«
    Was ist der Vorwurf? Das Lanz alles mit Humor nimmt? Alles in eine billige Pointe und einen guten Witz verwandelt? Ich weiß nicht, mir ist Humor und Lässigkeit immer noch lieber als moralinsaures Rechtgehabe. Und ganz ehrlich – warum sollte ich in eine Sendung gehen, in der man mich vorführen und angreifen will? Der Niggemeier würde doch auch nicht zu einem Friseur gehen, der ihm beim Haareschneiden ein Ohr absäbelt.
    Ich glaube zudem, dass viele Menschen Kritik, Sorge und Depression mit einer Ernsthaftigkeit verwechseln, die per se schon uneigennützig und aufrichtig ist. Dabei klagen die meisten Leute doch nur, weil es um ihre eigenen Pfründe geht oder sie sonst etwas damit gewinnen können. Und sei es nur die Sympathie des Publikums.
    Alle Menschen sind Interessenvertreter. Und die meisten vertreten in erster Linie ihre eigenen Interessen. Da ist kaum einer besser als der andere.
    Nach der Debatte zur Wulff-Affäre, in die ich wie gesagt geraten war, weil ich meinen Kinofilm Reality XL vorstellen wollte, wechselte man zu einem Thema, zu dem ich gleich noch viel weniger zu sagen hatte: das Karlsruher Urteil zum deutschen Beitrag am Rettungsplan zur EU -Finanzmarktkrise. »Diese Finanzkrise«, sagte ich ganz ehrlich, »verstehe ich nicht und daher kann ich dazu auch nichts Schlaues sagen.« Das erklärte ich der Redaktion schon beim Vorgespräch am Telefon. Als die Kamera lief, ergänzte ich die Aussage dann noch um den Satz, dass ich die Befürchtung hätte, den meisten Politikern ginge es da nicht viel besser.
    Ich finde, es wurde schon Dümmeres zu dem Thema gesagt. Aber natürlich ist es letztlich völlig überflüssig, ausgerechnet jemanden wie mich dazu zu befragen.
    Manchmal passieren ja auch ganz lustige Sachen in diesen Sendungen, vor allem wenn sie live sind. In der Talkshow von Bettina Böttinger hat es Viktoria immerhin geschafft, mich mitten in der Ausstrahlung auf dem Handy anzurufen
    Selbst wenn die Sender uns Prominente ganz gut bezahlen für solche Auftritte – am Ende kommt sie so ein Sendeformat vermutlich immer noch günstiger als Fußball oder ein vernünftig produzierter Fernsehfilm.
    QUOTENDRUCK UND SPARZWANG
    In den letzten Jahren hat der Druck in den Sendern kräftig zugenommen. Heute geht es nur noch um Geld und Quote. Auch die Drehtage werden kontinuierlich heruntergefahren. Hans Jörg Felmy drehte seinen Tatort noch in dreißig Tagen. Heute wird der in 22 oder weniger Tagen abgedreht.
    Ich weiß noch, wie ich bei einem dieser sogenannten Eventmovies, ich glaube es war Die Sturmflut , ins Synchronstudio kam, weil ich ein paar Szenen nachsynchronisieren musste. Da stand der Regisseur schon im Studio und sagte aufgeregt: »Wir brauchen zehn Millionen.« Er sagte nicht »Guten Tag« oder »Heiner, wie geht’s dir«, sondern nur diesen Satz. »Wir brauchen zehn Millionen!« Und ich dachte: Was soll das denn heißen? Wir synchronisieren doch schon?! Wo will der denn jetzt noch zehn Millionen für den Film herbekommen, – und warum überhaupt so viel und so spät zum

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