Man lebt nur zweimal
Interviews und anderen Formaten. Die Redaktionen wiederum versprechen sich von prominenten Schauspielern Einschaltquoten und fackeln nicht lange, zuzugreifen.
Sie machen dann so halbwegs schwammige Zusagen wie, dass sie den neuen Film zumindest mal kurz ansprechen: »Heiner, du bist ja grad auf Tour, um dein neues Projekt vorzustellen …« Und dafür muss man sich dann am Gruppengespräch beteiligen. Sprich: Irgendetwas zum aktuellen Thema in die Runde werfen.
Als Reality XL in die Kinos gekommen ist, war ich zum Beispiel bei Markus Lanz eingeladen. In der Sendung ging es um Christian Wulff. Das war kurz vor seinem Rücktritt als Bundespräsident, und ein Thema der Runde war das Verhältnis von Prominenten zur Bild -Zeitung. Ich bin kein spezieller Fan von Christian Wulff, und an seiner Stelle wäre ich wohl auch schon deutlich früher zurückgetreten. Ich möchte nie jemanden auf die Nerven gehen, schon gar nicht einem ganzen Volk. Aber es hat mich damals sehr geärgert, wie unglaublich moralisch sich die Medien geriert haben. Und nicht nur die. Durch weite Teile des Volkes ging ja eine Welle der Empörung. Wie konnte dieser Mann sich nur ein Hotelzimmer bezahlen lassen. Aber mal ehrlich – sind wir nicht alle Schnäppchenjäger? Klar, es war wohl nicht seine einzige Verfehlung. Wirklich schlimm fand ich, dass er offensichtlich so schlechte Berater hatte. Sonst hätten die nie zugelassen, dass die Sache so schiefgelaufen ist. Wenn sogar unsere Spitzenpolitiker solche Ratgeber haben, dann gute Nacht. Die stehen ihnen ja auch in anderen Fragen zur Seite, zum Beispiel, wenn es um unser Wohl geht.
Ich wäre aber auch ohne Berater nie auf die Idee gekommen, bei einem Journalisten auf die Mailbox zu schimpfen. Ich hätte mir davon auch nicht allzu viel versprochen. Man weiß doch, dass man sich damit nur immer tiefer in die Misere reitet. Eigentlich läuft es sowieso umgekehrt: Die Journalisten rufen mich an, um mich zu einem Kommentar zu bewegen.
Das ist übrigens auch so ein Vorteil meines neuen Lebenswandels und freut mich ganz besonders: Seitdem ich nicht mehr trinke und selbst die wildesten Partys nüchtern verlasse, gibt es auch diese begehrten Sauffotos von mir nicht mehr: Diese herrlichen Bilder mit glasigen Augen, voll wie ein Eimer und eine interessante, oft auch bis fünf Minuten vor dem Foto noch mir völlig unbekannte Dame in den Armen. Die ganzen schönen Bilder, die bei der Ankunft auf dem roten Teppich gemacht werden und mich noch in stolzer Körperhaltung und mit klarem Blick zeigen, sie waren durch diese Schnappschüsse natürlich jedes Mal hinfällig geworden. Früher bekam ich am nächsten Morgen dann gerne einen Anruf von einem Journalisten. Er bat mich, die wandelnde Schnapsleiche (mich) und die Dame (keine Ahnung) auf den zu nachmitternächtlicher Stunde geschossenen Fotos zu kommentieren. Wenn ich sagte, dass ich dazu eigentlich keinen Kommentar abzugeben hätte, fragte man freundlich nach, ob ich mir da sicher sei.
»Ganz sicher.«
»Wirklich?«
»Ich will dazu nichts sagen.«
»Dann übernimmt die Redaktion das, Herr Lauterbach. Und ich weiß nicht, ob das für Sie besser aussieht.«
Das waren die gleichen Journalisten, die später über Wulff das moralische Zepter geschwungen haben.
Heute können mich die Fotografen und Journalisten auf den Partys noch so lange beschatten und darauf lauern, dass ich zu tief ins Glas gucke. Meistens erwischen sie mich eh nur in flagranti mit einem Apfelsaft. Wenn sie eine Frau in meinem Arm finden, dann ist es ganz sicher meine eigene, und ich würde heute jede Wette gewinnen, dass ich weniger Alkohol im Blut habe als die meisten Journalisten, die früher deswegen so gerne auf mir herumgehackt haben.
Unlängst habe ich im Spiegel einen herben Verriss über Markus Lanz gelesen. Ich weiß nicht, wie viel Hass sich in den zu kurz gekommenen dieser Erde manchmal anstaut und was im Leben des Journalisten alles schiefgelaufen ist. Man kann die Runde bei Lanz für ein belangloses Kaffeekränzchen halten, aber er tut auch niemandem etwas. Und er spielt sich vor allem nicht so moralisch auf wie manch anderer Moderator und Talkmaster.
Ich erinnere nur an den Rausschmiss von Eva Herman bei Kerner, der so populistisch war, dass es einem schlecht werden konnte. Unter dem Titel »Der programmierte Eklat« hat Hendryk Broder auf Spiegel Online dazu eine sehr schöne Analyse geliefert, dessen Worten ich mich hier nur anschließen kann: »Als Eva Herman nach genau
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