Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Man lebt nur zweimal

Man lebt nur zweimal

Titel: Man lebt nur zweimal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiner Lauterbach
Vom Netzwerk:
hilft aber nicht darüber hinweg, dass einem Schauspieler viel tote Zeit aufgebürdet wird.
    Früher habe ich dann einfach den Leuten vom Licht und der Technik eine Kiste Bier hingestellt. Die haben ja sowieso immer Stoff an Bord. Als ich neu war in der Branche, habe ich den verdutzten Aufnahmeleiter dann gefragt: »Was machen eigentlich die ganzen Lampen hier im Getränkewagen?« Bei den Beleuchtern zischte ich ein paar Bierchen und spielte mit den Kollegen Poker. Langweilig war mir früher nie. Einer hatte eigentlich immer Zeit und man konnte irgendeinen Blödsinn veranstalten. Heute denke ich mir, mein Gott, man könnte seine Zeit wirklich sinnvoller verbringen, als darauf zu warten, dass genügend Beleuchtungskörper in eine Dachterrassenwohnung ohne Aufzug geschleppt wurden. Besonders, wenn ich weiß, dass der Film wahrscheinlich nicht unbedingt ein Meisterwerk wird, ärgere ich mich über die gestohlene Zeit.
    BEI SCHNEEFLITTCHEN
    Ich habe in meinem Leben wirklich unzählige Filme synchronisiert. Und dementsprechend unzählige Schauspieler. Vom Oscar gekrönten amerikanischen Top-Star in einem ebenfalls Oscar gekrönten Meisterwerk bis hin zum Darsteller in einem Hardcore-Sado-Maso-Porno aus Puerto Rico. Von Untouchables ( Die Unbestechlichen ) eines Brian de Palma (ich sprach Kevin Costner) bis Schneeflittchen und Mösenrot (der Name des Darstellers ist mir leider entfallen) aus irgendeiner US -Hardcoreschmiede.
    Die Bezahlung beim Synchron ist natürlich mit den Drehgagen nicht zu vergleichen. Mit dem Theatersold hingegen schon. Den übertrifft sie sogar. Deswegen bin ich auch ziemlich stolz auf mich, dass ich trotz der guten Bezahlung im Synchron nie aufgehört habe, für 50 Mark am Abend Theater zu spielen.
    Als ich in den 1970ern anfing, bestanden die Synchronstudios noch aus riesigen Räumen, also richtigen Studios mit einem Projektionsraum dahinter, in dem sich zwei mächtige Kino-Projektoren befanden. Dort stand ein Vorführer, der sie bediente. Während der eine Take durch einen Projektor laufen ließ und im Studio synchronisiert wurde, wechselte er den anderen. Hinten, in einem separaten Raum, hinter einer großen Glasscheibe, saßen der Tonmeister und der Regisseur. Bei großen amerikanischen Kinoproduktionen saß da noch eine Nase von MGM oder Columbia, die ebenfalls ihren Senf dazugab: »Der Kevin hat aber gesagt immer das mit die Betonung auf diese Silbe.« Im Studio selber saß dann nur noch die Cutterin, die darauf achten musste, dass das Gesprochene auch synchron war. Die Schauspieler sind natürlich auch darum bemüht. Aber man muss aufpassen. Achtet man zu sehr darauf, klingt es mechanisch. Plappert man aber einfach drauflos, ist man asynchron. Viele Leute behaupten, dass Musikalität hilft. Zumindest ein gutes Rhythmusgefühl. Da hat mir vielleicht das Schlagzeug spielen genützt.
    Dann läuft es ungefähr so ab: Der ganze Film ist in Hunderte kurzer Takes unterteilt, von circa ein bis acht Sätzen. Diesen Take kann man sich zu seinem Text, der vor einem auf dem Tisch liegt, erst mal probeweise anhören und -sehen. Es kommt dann ein »Achtung! 3, 2, 1«, und man spricht auf das erscheinende Bild. Wichtig beim Synchronisieren ist zum Beispiel, dass man die Labiale trifft. Also den Moment, in dem der Filmschauspieler offensichtlich ein »B« oder »P« spricht. Wenn man unglücklicherweise eine Sprechpause oder einen Vokal dahin fabriziert, sieht es nicht so schön aus. Trotzdem geht das in der Regel ziemlich flott. So eine Folge Lassie zum Beispiel schafft man mit Profis »am Rohr« in einem halben Tag. Bei großen Kunstfilmen kann es natürlich länger dauern, bis alles richtig sitzt. Dann stapeln sich im Regieraum auch schon mal die Kunstbeflissenen. Schwierig wird es obendrein, wenn man deutsche Produktionen synchronisieren muss. Da sitzen schon mal der Synchronregisseur und der Originalregisseur nebeneinander. Die sind sich selten einig. Ich habe in den späten 1980er Jahren in den Bavaria Synchronstudios den Film Death of a Salesman ( Tod eines Handlungsreisenden ) synchronisiert. Ich sprach John Malkovic. Hinten im Regieraum saßen der Tonmeister, der Synchronregisseur, Volker Schlöndorff als Regisseur des Films und ein Mensch vom Verleih. Neben mir stand Otto Sander, der Dustin Hoffman sprach. Der eine aus der Regie sagte Hü, der andere Hott. Otto und ich sahen uns immer nur an, manchmal verdrehten wir auch ein klein wenig die Augen, was die im Regieraum natürlich nicht sahen. Auf

Weitere Kostenlose Bücher