Man nehme: dich und mich
niemals. Wie kommst du darauf?”
“Wegen des Engländers. Ich konnte sehen, wie er im Kopf alles durchgerechnet hat, als er sich die Küche angesehen hat.”
“Aber er ist doch nur ein Tourist.”
“Wohl kaum. Das war Karl Graves, der Hotelier. Ihm gehören über ein Dutzend Luxushotels auf der ganzen Welt.”
Frankie schien überrascht, erholte sich aber schnell. “Na, dann wird ihn
White Caps
eher nicht interessieren. Wir sind doch nur ein kleiner Fisch.”
Nate beschloss, ihr lieber nicht zu erzählen, dass jemand wie Graves das Anwesen kurzerhand zur privaten Ferienvilla für sehr zahlungskräftige Gäste umbauen würde. Stattdessen fragte er: “Wie schlecht steht es wirklich um das
White Caps
? Du kannst es mir ruhig sagen.”
Trotzig hob sie das Kinn. “Aber ich muss nicht.”
“Stimmt. Du kannst auch alles in dich hineinfressen, bis du eines Tages explodierst.”
“Spielst du jetzt den Therapeuten?”
“Schon möglich, aber eigentlich sehe ich mich mehr als Freund.”
Was sogar stimmte. Zum größten Teil. Denn gleichzeitig sah er sich, wie er mit Frankie nackt im Bett lag, sie am ganzen Körper streichelte und ihr Koseworte ins Ohr flüsterte. Hoffentlich konnte sie nicht Gedanken lesen, sonst wäre sie bestimmt in Panik davongerannt.
Nach ihrer ablehnenden Reaktion auf ihren ersten Kuss hatte er versucht, ihr Zeit zu geben und darauf gewartet, dass sie von selbst zu ihm kam. Doch nach über einer Woche hielt er es langsam nicht mehr aus. Deshalb hatte er den Ausflug auf den Berg vorgeschlagen. Wenn sie alleine waren, konnte er sie vielleicht noch einmal küssen …
Dummerweise war es im Moment viel wichtiger, dass sie in Ruhe miteinander redeten. Der Friedhofsbesuch hatte Frankie offenbar verstört, und er hoffte, dass sie endlich über den Tod ihrer Eltern sprechen würde. Um sie langsam zu dem Thema hinzuführen, war das
White Caps
noch immer der beste Weg.
“Ich verspreche dir, dass ich es niemandem weitererzähle”, betonte er. “Und sonst kannst du mich ja jederzeit feuern.”
Sie lächelte ganz kurz, dann legte sie die Arme um die Knie und den Kopf darauf. Am liebsten hätte er sie an sich gezogen und im Arm gehalten, aber das hätte sie nie geduldet. Also rührte er sich nicht und hoffte, dass sie doch noch reden würde.
Schließlich räusperte sie sich und sagte rau: “Wir werden es schon schaffen. Bis jetzt hat es immer irgendwie geklappt. Im Moment haben wir eine schwierige Phase, aber das ist am Anfang der Saison nicht ungewöhnlich.”
“Bist du sehr hoch im Minus?”
“Viel zu hoch. Die Grundsteuer ist enorm, ständig haben wir Reparaturkosten, und dann lief es letztes Jahr besonders schlecht. Außerdem muss ich Zinsen und Tilgung für eine hohe Hypothek bezahlen, weil wir die Erbschaftssteuer aufbringen mussten, als mein Vater starb.”
“Ich dachte,
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gehört deiner Großmutter.”
Sie schüttelte den Kopf. “Nein, ihr Vater hat sie enterbt, weil sie den Gärtner geheiratet hatte, und das Anwesen direkt meinem Vater übertragen, als er zweiundzwanzig wurde. Ein paar Jahre später hat der es dann zur Pension umgebaut, um die Unterhaltskosten zu bestreiten. Am Anfang lief das Geschäft auch wirklich fantastisch. Reich wurden wir davon zwar auch nicht, aber wir hatten ein gutes Auskommen.”
Seufzend blickte sie auf den See hinunter. “Ich hoffe immer noch, dass es wieder besser wird. Sicher, manchmal denke ich schon dran, zu verkaufen, aber nie für lange. Denn ich sage mir immer, wenn ich noch ein paar Monate durchhalte, kommt endlich der Durchbruch.” Sie lachte freudlos. “Ein Hoch auf den Optimismus.”
“Hast du denn irgendwelche Sicherheiten?”
“Du meinst Wertgegenstände? Nicht viel. Zu wenig. Ich habe ein Silbergeschirr und Grand-Ems letzten Schmuck verkauft, um das Studium für Joy zu bezahlen. Sie hat die Universität von Vermont in der Rekordzeit von drei Jahren abgeschlossen”, erklärte sie stolz.
“Und wo hast du studiert?”
“In Middlebury. Ich war nur auf dem College und habe keinen Abschluss gemacht. Ich hatte andere Pläne, aber es kam was dazwischen. Und wer weiß, wie ich mich im richtigen Leben geschlagen hätte.”
“Im richtigen Leben?”, fragte er erstaunt. “Und wofür hältst du das hier?”
Sie lachte leise. “Saranac Lake ist eine verschlafene Kleinstadt und mit New York City wohl kaum zu vergleichen.”
“Und du wolltest nach New York?”
Nach langem Zögern sagte sie: “Ja, ich habe mal
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