Management - von den Besten lernen
kosten würde. Man entschied sich letztlich für die Rückrufaktion.
„ Irgendetwas hatte sich verändert, etwas Großes, etwas Bedeutungsvolles, auch wenn noch nicht gänzlich klar ist, was dieses Etwas ist “ 38 , schrieb er später in seinem Buch. Die Unternehmensleitung hatte das Gefühl, gänzlich die Kontrolle verloren zu haben. Die Computernutzer, die nicht einmal Intels direkte Kunden waren, verlangten, dass der Prozessor entfernt werde. Was Intel über Qualität und Verlässlichkeit zu wissen glaubte, galt mit einem Schlag nicht mehr. Das Unternehmen war an einen strategischen Wendepunkt gekommen, wie es Grove nannte; eine Situation, die einen massiven Wandel, weit über das normale Ausmaß hinaus, notwendig machte. Ein solcher Punkt ist durch eine drastische und innerhalb kürzester Zeit ablaufende Änderung der Situation gekennzeichnet. Betreffen kann dies die Wettbewerber , die Technologie , die Kunden , die Lieferanten , die komplementären Leistungen oder Produkte bis hin zu bestimmten Regulierungen .
Das Problem daran ist nicht, dass sich die Dinge ändern, sondern das Ausmaß und die Intensität dieses Wandels. Grove selbst quantifizierte diese Intensität mit dem Zehnfachen dessen, was die Organisation als „normalen“ Wandel gewohnt ist. Ein Großteil seines lesenswerten Buches Only the Paranoid Survive ist dem Umgang mit strategischen Wendepunkten gewidmet. Peter F. Drucker, der sich nur höchst selten zu Büchern äußerte, würdigte es übrigens mit den Worten: „ This terrific book is dangerous … It will make people think “ 39 – dies nur als Randnotiz. Fakt ist jedenfalls, dass man an Intels Umgang mit strategischen Wendepunkten die Bedeutung von kontinuierlicher Umsicht, gesunder Skepsis sowie einer gewissen Paranoia erkennen kann , egal, ob es um technologische oder wettbewerbsbedingte Bedrohungen geht.
Was kann man nun konkret tun, um einen Wandel oder sogar strategische Wendepunkte frühzeitig zu erkennen? Zunächst einmal muss man harte, offene Diskussionen fördern. Nur wenn Situationen, Möglichkeiten und Gefahren ausdiskutiert werden, besteht eine Chance, strategische Wendepunkte zu erkennen, vielleicht sogar frühzeitig. Das heißt auch, dass man in den Diskussionen bewusst Dissens anstreben, besser noch, verlangen muss. Alfred Sloan war darin ein Meister, wie in einem eigenen Kapitel dieses Buchs dargelegt wird.
Wenn man diese Art der Diskussionskultur als notwendig erachtet und sie im Unternehmen etablieren möchte, hat dies zur Konsequenz, dass man in der Organisation keine Ja-Sager haben will – und auch keine Vorgesetzten, die gerne Ja-Sager um sich scharen. Wenn Sie kompetente Führungskräfte oder Beirats- und Aufsichtsorgane beobachten und analysieren, worauf sie bei Personalentscheidungen achten, dann erkennen Sie, dass sie starke Personen und Personen, die diese um sich haben wollen, in Führungspositionen bringen. Es ist längst anerkannt, dass gute Entscheidungen essenziell von einer gesunden Diskussionskultur in der Organisation abhängen, deshalb muss man darauf achten, dass diese entstehen kann.
Als weitere Maßnahme müssen Sie zielgerichtete, bereichsübergreifende Diskussionen zu Schlüsselthemen fördern, die Wandel oder strategische Wendepunkte bedeuten könnten. Viele Probleme und Chancen sind heute zu komplex, als dass es einigen wenigen Wissensträgern möglich wäre, diese angemessen zu überblicken. Meinungs- und Willensbildung zu Schlüsselthemen der Organisation werden deshalb künftig vermehrt nur noch bereichsübergreifend sinnvoll zu lösen sein.
Darüber hinaus sollten Sie mit gesunder Skepsis die Daten, die Ihnen vorliegen, und die Annahmen , auf die Sie sich stützen, hinterfragen. Prüfen Sie dabei auch, ob das Führungsteam (Sie selbst eingeschlossen) dem Wandel in der Realität noch mit angemessener Geschwindigkeit folgt, und entscheiden Sie gegebenenfalls, was zu tun ist, um den Anschluss wiederherzustellen. Das mag banal klingen, aber in der Praxis kann man regelmäßig beobachten, dass diese Situation nicht thematisiert oder erst dann ernst genommen wird, wenn es fast zu spät ist. Auch bei Intel wäre es damals beide Male fast zu spät gewesen.
Dabei darf natürlich nicht vergessen werden, dass ein Unternehmen wie Intel schon weit vor solcherlei existenzbedrohenden Krisen viele Gefahren erfolgreich umschifft hat, lange bevor überhaupt eine Krise daraus hätte erwachsen können. Was kann man also tun, um frühzeitig Krisen und
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