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Manchmal ist das Leben echt zum Kotzen - Wie ich meine Essstörung besiegte

Manchmal ist das Leben echt zum Kotzen - Wie ich meine Essstörung besiegte

Titel: Manchmal ist das Leben echt zum Kotzen - Wie ich meine Essstörung besiegte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Federlein
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Leute wollten was dazu sagen (das ist das Schlimmste, wenn du keine Rückmeldung bekommst; meistens steht dann wenigstens einer der Therapeuten auf, damit man nicht so völlig ungehört bleibt).
    Meine Kristin hat gemeint, sie freut sich auch schon voll drauf, wenn ich endlich zu ihnen komme. Zwei andere sagten das Ähnliche, aber eine der Therapeutinnen ist aufgestanden und meinte knallhart, das wäre der magersüchtigste Beitrag gewesen, den sie seit langem gehört hätte!
    Und die letzte Rückmeldung war ähnlich, Thomas unser Borderliner meinte, irgendwie könnte er sich nicht vorstellen, wie man drei Wochen eingesperrt auf seinem Zimmer sein könnte und dann nichts zu sagen hätte!
    Er ist manchmal echt nicht von dieser Welt, aber damit hat er echt einen Treffer gelandet!
    Jetzt sitz ich wieder auf meinem Zimmer und bin ziemlich angeschlagen. Zum Einen weil ich die Idee habe, etwas falsch gemacht zu haben, weil ich die Kritik nicht vertrage. Dabei gibt es bei so was ja nun wirklich kein richtig oder falsch! Aber so fühl ich mich eben, weil ich einfach will, dass ich gut dastehe. Aber viel wichtiger ist doch, dass bei mir jetzt die Erkenntnis hochkommt, dass ich nicht eine Krankheit namens Magersucht HABE, sondern magersüchtig BIN!!!
    Es ist nicht wie Schnupfen, den man halt mal hat, der dann aber auch wieder geht. Außer dass man ein bisschen angeschlagen und genervt ist bleibt man immer noch man selber. Nein, eine psychische Krankheit ist etwas, das man IST. Dass ich das am Essen auslasse, ist einfach nur eine Art nach Hilfe zu schreien. Aber mein ganzes Verhalten, meine Art zu denken, zu handeln, der Kontakt zu anderen, egal was auch immer - ich BIN magersüchtig. Also selbst wenn ich jetzt normal essen würde, wäre mein ganzes Verhalten nach wie vor krank!!! Dass ich mich nicht wertschätze, mich nicht liebe, keinerlei Selbstvertrauen habe, mich immer zurücknehme, immer bei anderen schaue, ohne mich selber wahrzunehmen, permanent zurückstecke usw. Warum empfinde und sehe ich eine Anke genau so wie sie ist, viel viel zu dünn, so traurig, so liebesbedürftig und würde sie am liebsten nur den ganzen Tag in den Arm nehmen - aber mich selber nicht? Mich hasse ich, verletzte mich und treib mich immer weiter an, ohne einmal zu sehen, dass ich auch Liebe brauche, dass ich es auch wert bin, gehört und gesehen und gemocht zu werden?
    Wow, das muss ich jetzt erst mal verdauen.
     
    P.S. Ach ja, heute hat sich Gabriele verabschiedet, alle haben geheult und die Neue hat sich vorgestellt... Ich mag sie nicht! Ich mag nicht wie sie aussieht, ich mag nicht wie sie redet, ich mag sie einfach nicht, ich will Gabriele wieder!!! Bin mal auf mein erstes Einzel mit ihr gespannt!
     
     
    Nach vier Wochen und zwei Tagen hatte ich es geschafft, 46,2 Kilo, ich durfte raus. Mir fiel das Essen zu dieser Zeit relativ leicht, zum Einen hatte ich mich in den vier Wochen halbwegs an die Mengen gewöhnt, zum Anderen wusste ich, dass mein Zielgewicht von 50 Kilo noch weit entfernt lag.
    Allerdings war es für mich jetzt super schwer, mit anderen zusammen an einem Tisch zu essen. Zum Einen wollte ich noch nie, dass mir jemand beim Essen zuschaut, früher hatte ich mich für mein komisches Essverhalten einfach nur geschämt und wollte nicht, dass ich darauf angesprochen wurde. Jetzt hier war es einerseits auch so, dass es mir peinlich war, von allen beobachtet zu werden, wie ich mein Brot viertelte oder eben eine Stunde brauchte, um das Frühstück Bissen für Bissen runter zu kriegen. Aber andererseits war es auch einfach echt heftig zu sehen, wie all die anderen Essgestörten mit ihrem Essen umgingen. Dagegen war ich ja noch harmlos!
    Was da auf den Tellern rumgeschoben wurde, in kleine Teile zerlegt und mit Mini-Bissen abgeknabbert wurde, war kaum mit anzusehen. Und natürlich hab ich die Mengen verglichen, hab genau aufgepasst, ob die Anderen denn auch ihre abstinenten Mengen aßen! Ich musste also lernen, mich abzugrenzen, nur auf mich zu schauen und das nicht nur beim Essen. In den nächsten drei Monaten dort in der Klinik hab ich Dinge erlebt und gesehen, wie ich sie mir vorher nicht hätte vorstellen können. Wir waren ein Haufen bunt zusammengemischter psychisch Kranker, von Medikamentenabhängigen über Drogensüchtige, Depressive, Alkoholiker oder Borderliner, natürlich Bulimiker und Esssüchtige, Magersüchtige und sogar Sexsüchtige.
    So viele unterschiedliche Symptome. Aber, das hab ich schnell gemerkt, alle mit

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