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Manchmal ist das Leben echt zum Kotzen - Wie ich meine Essstörung besiegte

Manchmal ist das Leben echt zum Kotzen - Wie ich meine Essstörung besiegte

Titel: Manchmal ist das Leben echt zum Kotzen - Wie ich meine Essstörung besiegte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Federlein
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der riesen Durchbruch in der Therapie. Wie gesagt, wir halfen uns gegenseitig am meisten.
    Am Anfang hab ich mir sehr schwer getan, mich gegen all das abzugrenzen und bei all dem Elend mich selber nicht zu vergessen. So viele hatten solche schlimmen Dinge am Laufen, was hatte ich schon? Auch das hab ich in einer Gruppe erzählt und bekam einen riesen Anschiss, weil ich mich mal wieder um alle anderen kümmerte, nur nicht um mich!
     
     
    25.04.1997
     
    Wir haben letzte Woche zwei neue Klausurpatientinnen bekommen. Die eine musste nur eine Woche bleiben, dann durfte sie schon raus, die andere, Heidrun, quält sich immer noch rum. Ich bin ihre Sponsorin, weil ich dachte, ich kann ihr da wohl mit am besten helfen, schließlich hab ich das ja auch durchgemacht. Aber es ist echt anstrengend für mich. Im Gegensatz zu mir, will sie absolut nicht essen und gestern ist ihr angedroht worden, ins Krankenhaus zu kommen, wenn sie sich nicht endlich aufrafft. Wenn sie mir dann erzählt, wie schwer das ist und dass sie einfach nicht essen kann, denk ich mir immer nur, oh man, stell dich nicht so an! Das kann man wohl als Fortschritt von mir sehen, oder? Aber es zieht mich auch runter und es ärgert mich, dass sie ihren Teller unangerührt einfach wieder draußen abgibt und keiner sagt was. Bei mir war gleich der Aufstand, nur wenn ich mal zwei Salate stehen gelassen hab! Andererseits was soll`s, dafür bin ich jetzt hier draußen und sie nicht.
    Heute hab ich Christina, weil sie keine Hose mehr hatte, eine von meinen geliehen. Da ich jetzt 48 Kilo wiege, passt mir die Größe 34 zwar noch nicht ganz richtig, aber sie schlabbert auch nicht mehr. Ich war mir so sicher, dass bei Christinas dünnen Beinchen die Hose viel zu weit wäre... aber sie passte wie angegossen! Meine Beine/ Oberschenkel kommen mir immer so dick vor, aber jetzt weiß ich, dass sie genauso dünn sind wie die von Christina! Das pack ich immer noch nicht!
    Andererseits weiß ich ja noch, wie wohl ich mich damals nach dem Urlaub gefühlt habe, wo ich zum ersten Mal 48 Kilo gewogen habe, wie wahnsinnig dünn ich mich da fand.
    Nur jetzt, wo ich eben von unten nach oben zunehme, empfind ich mich als dick. Jaja, die liebe Wahrnehmung, nach wie vor völlig verdreht.
     
     
    05.05.1997
     
    Ich glaube ich gebe die Sponsorenschaft bei Heidrun ab, werd das mal im Komitee ansprechen. Ich kann einfach nicht mehr. Mir geht es gerade selber nicht gut, weil sich mein Gewicht der 50 nähert und ich am liebsten wieder alles unten hätte. Sie sitzt jetzt schon fast drei Wochen da in ihrem Zimmer und ständig hört man laute Musik. Man hört sie trampeln, also geh ich mal davon aus, dass sie Dauersport betreibt. Essen tut sie auch nicht viel und wenn ich dann bei ihr bin, heult sie, weil sie nicht versteht, warum sie nie zunimmt. Gestern wollte sie abreisen, da hab ich das der Schwester gemeldet, weil mir das jetzt einfach zu heiß geworden ist.
    Miriam meinte heute, sie wäre ja so viel lieber magersüchtig, weil das so schön ästhetisch ist. Sie als Bulimikerin fühle sich so schlecht, aber als Magersüchtige, das wäre doch toll, so schön schlank, von allen bewundert... wie erklärt man so jemandem, der bei all dem Elend um sich rum immer noch nicht kapiert, was für eine scheiß Krankheit das ist, wie bescheuert seine Gedanken sind. Das macht mich so wütend! Es reicht schon, wenn man draußen ständig bewundert wird und klar freut man sich da auch `ne Zeitlang drüber, schließlich ist Magersucht ja die einzige Sucht, bei der man nicht verachtet, sondern für seine Zielstrebigkeit und seinen Ehrgeiz noch bewundert wird. Aber genau das ist ja das Tückische, das, was einen antreibt, immer weiter zu machen, um noch mehr Lob zu bekommen, um sich noch besser und überlegener zu fühlen. Und jetzt sitzt sie da, hat schon so viel von uns Magersüchtigen gehört, weiß wie schrecklich es ist, den ganzen Tag nur mit Kalorien im Kopf und zwanghaft Sport treibend sich durch den Tag zu quälen (jeder der schon mal eine Diät gemacht hat, weiß in etwa, wie scheiße es ist, wenn man hungert, wie schlecht man da drauf ist) und meint allen ernstes, sie möchte so sein. Manchmal ist es schon echt nervig hier!
    Kay ist so lieb. Er hat einen Anhänger machen lassen, der ist silbern mit einer großen 50 drauf. Den schenkt er mir, wenn ich bei 50 Kilo bin. Weil das ja bei den Alkoholikern oder wie bei ihm, den Medikamentenabhängigen, so ist, dass sie für eine bestimmte Anzahl von

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