Manchmal muss es eben Mord sein
freien Blick auf die Blumenkästen. Jedenfalls auf die, die noch dastanden. Vielleicht rief das ja die eine oder andere Reaktion hervor.
Nachdem Alex alle Mitarbeiter aus Windischs Abteilung befragt hatte, gönnte sie sich eine kleine Pause. Sie ließ sicheinen Kaffee aus dem Automaten, ging dann auf die Dachterrasse und setzte sich in die Sonne, die heute wieder von einem strahlend blauen Himmel schien. Doch die Folgen des heftigen Unwetters gestern waren noch zu sehen. Die Terrasse war übersät mit Blättern, dazwischen ein paar rote Geranienblüten.
Alex nahm einen Schluck Kaffee und verzog das Gesicht. Der Kaffee schmeckte bitter und war außerdem so heiß, dass sie sich die Zunge verbrannt hatte. Dann also keinen Kaffee. Dabei hätte sie einen Koffeinschub gut gebrauchen können. Sie schlief zunehmend schlechter, seit Hubert weg war, und fühlte sich müde und abgespannt. Was Hubert wohl gerade machte? Hoffentlich ging es ihm gut. Und hoffentlich ließ Corinna Rieker ihre Finger von ihm.
Eine Sirene in der Ferne riss Alex aus ihren Gedanken. Sie wandte sich wieder ihrer Arbeit zu und rekapitulierte anhand ihrer Notizen, was sie bisher herausgefunden hatte.
Die Dachterrasse war für alle Angestellten im Haus frei zugänglich und wurde bei schönem Wetter in den Pausen rege genutzt. Auch die meisten Raucher frönten hier ihrer Leidenschaft. Nur Stefan Windisch nicht. Der rauchte seine Mittagszigarette immer gegen 14 Uhr unten auf der Straße. Das war allgemein bekannt. Sollte ihm jemand nach dem Leben trachten, brauchte er nur um die Zeit einen Blumenkasten herunterfallen zu lassen. Die Gelegenheit hätten also viele Leute gehabt. Wobei von den bisher Befragten gestern Mittag keiner auf der Dachterrasse war – kein Wunder, bei dem Sturm.
Alex stand auf, ging ans Ende der Terrasse und sah über die Brüstung nach unten. Das war verdammt hoch. Wahrscheinlich hatte Windisch Glück gehabt, dass er überhaupt noch lebte.
Was das Motiv betraf – Windisch war offensichtlich ein regelrechter Frauenheld. Zwei Mitarbeiterinnen hatten sogar offen zugegeben, Affären mit ihm gehabt zu haben. Alex fragte sich, wie es wohl um seine Ehe bestellt sein mochte.
Sie ging zum Tisch zurück und las noch einmal ihre Notizen durch. Alle Befragten hatten für die Unfallzeit ein Alibi. Sie waren gemeinsam im Café gewesen. Allein Jenny Lehmann hatte sich den Aussagen nach lediglich etwas zum Mitnehmen geholt und war gleich wieder verschwunden – Zeit genug, um auf die Dachterrasse zu gelangen und einen Blumenkasten hinunterzustoßen?
Alex nahm ihr Notizbuch und den Kaffeebecher und ging wieder hinein. Als Nächste hatte sie Jenny Lehmann bestellt.
Es klopfte, und eine junge Frau, fast noch ein Mädchen, mit auffallend roten Haaren kam herein und blieb schüchtern an der Tür stehen.
»Sie wollten mich sprechen«, sagte sie mit leiser Stimme und blickte Alex nur flüchtig dabei an.
»Ja, Frau Lehmann. Bitte nehmen Sie doch Platz. Ich bin Kommissarin Lichtenstein. Es haben sich ein paar Fragen wegen des Unfalls von Herrn Windisch ergeben.«
Die junge Frau setzte sich wortlos. Sie sah blass aus und ließ die Schultern hängen.
»Am besten kommen wir gleich zur Sache«, sagte Alex. »Um welche Zeit sind Sie gestern in die Mittagspause gegangen?«
»Ich hab nicht auf die Uhr gesehen, aber wahrscheinlich so zwischen halb zwei und zwei.« Jenny drehte nervös den Saum ihrer Bluse zwischen den Fingern.
»Und was haben Sie gemacht?«
»Ich bin zu Valentino und hab mir eine heiße Schokolade bestellt.« Jennys Stimme klang zunehmend widerwillig.
»Und dann?«, hakte Alex nach.
»Hab ich die Schokolade getrunken. Was denn sonst?« Jenny blickte Alex jetzt herausfordernd an.
»Im Café?«
Jenny zögerte einen Moment, dann fragte sie patzig:
»Ist das denn so wichtig? Was wollen Sie eigentlich von mir? Können Sie mich nicht einfach in Ruhe lassen?«
»Ja, es ist wichtig«, entgegnete Alex betont ruhig. »Denn immerhin besteht der Verdacht, dass der Blumenkasten Herrn Windisch nicht von allein auf den Kopf gefallen ist.«
Jenny erstarrte und blickte zur Dachterrasse.
»Aber das war doch ein Unfall. Oder glauben Sie etwa, jemand wollte Steve, äh, ich meine Herrn Windisch …«
Sie verstummte und sah Alex unsicher an.
»Wir müssen alle Möglichkeiten in Betracht ziehen. Sind Sie denn mit Herrn Windisch näher bekannt, weil Sie ihn beim Vornamen nennen?«
Jenny senkte den Blick auf ihre Schuhspitzen.
»Na ja, er hat
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