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Mandels Buero

Mandels Buero

Titel: Mandels Buero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berni Mayer
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und die Leute hielten das offensichtlich für eine gute Idee. Und wenn man ehrlich ist, dann musste man danach auch zugeben, dass der Bartels rein von der Technik und den Tönen her viel besser singen konnte als der Tilmann. Dafür aber völlig emotionslos. In Gedanken nannte ich ihn Kai »N o S oul« Bartels, in Anlehnung an diese Szene in Amazon Women on the Moon . Die Begeisterung der Anwesenden hielt sich in Grenzen, als der Bartels sang.
    Du bist ein Totengräber
    Ich bin ein Leichenheber
    Du packst sie ein, ich pack sie aus
    Häufst sie in deinem Keller
    Doch heut Nacht bin ich schneller
    Ich schrei die Wahrheit laut hinaus
    Irgendwann war trotz ausuferndem Gitarrensolo vom Kretschmann auch der »Totengräber« zu Ende, und noch immer keine Spur vom Tilmann. Die Malleck war ein wenig blass im Gesicht, und der Mandel kratzte sich am Kopf.
    »Ich schau mal backstage«, sagte die Malleck.
    »Soll ich mitkommen?«, fragte der Anwalt Edelstein, aber die Malleck war schon losgelaufen, und jetzt schauten wir ihr alle drei konsterniert hinterher.
    »Äh, der Leo ist wohl längst in unserer Stammkneipe, und dahin gehen wir jetzt auch. Gute Nacht, meine Lieben«, versuchte sich der Kai Bartels erneut als Ansager, aber das Publikum hatte überwiegend das Interesse verloren und zog sich langsam aus dem Konzertsaal zurück. Der Bartels schaute sich nach seinen Kollegen um und legte dann seinen Fender-Jazzbass ab. Der Schredder haute nochmals so unglaublich laut und verrückt auf seiner Burg herum, dass sich das zurückziehende Publikum erschrocken umdrehte. Die hysterischen Ticketgewinner blieben als Einzige vor der Bühne versammelt und starteten einen »Leo, Leo«-Sprechchor, aber das Saallicht ging gnadenlos an. Der Mandel und ich, wir standen dem Anwalt gegenüber, und keiner sagte etwas. Stattdessen musterte man sich in dem grellen Licht, das völlig andere Menschen aus den Leuten machte. Der Anwalt Edelstein sah ziemlich faltig aus. Der war locker fünfzig.
    »Tja, dann gehen wir auch«, schlug ich irgendwann vor.
    »Ich muss ja noch auf die Roni warten«, sagte der Edelstein.
    »Ja, lass uns noch kurz warten. Ist doch kein Stress«, sagte der Mandel, und jetzt stand ich wieder wie der Stresser da.
    »Ich geh mal an die frische Luft«, sagte ich, winkte kurz und stieg das runde Treppenhaus hinunter in den Innenhof, wo schon eine Menge Leute standen und rauchten. Ich sah, wie ein schwitzender Urbaniak an mir vorbei zum Eingang stürmte.
    Der Mandel oben sah den Urbaniak mit risiegen Schweißflecken unter den Achseln seines marinefarbenen Hemds an den Bühnenrand stürzen, wo er immer noch mit dem Edelstein auf die Malleck wartete.
    »So eine Scheiße. Hallo Holger, hallo Max. Ich hab’s nicht mehr rechtzeitig geschafft. Heavy Verkehr in der Stadt. Und das am Samstag. Warum ist denn hier schon Feierabend? Eigentlich müssten wir doch mitten im Zugabenteil sein. Haben die früher angefangen?«
    »Der Leo ist weg«, sagte der Edelstein.
    »Wie, weg?«, fragte der Urbaniak.
    »Er ist zur Zugabe nicht auf die Bühne gekommen.«
    »Nein, oder? Das kann nicht sein. Der Typ treibt mich noch in den Wahnsinn«, sagte der Urbaniak und fügte dann aber beschwichtigend hinzu:
    »Weil er halt so motherfuckin’ crazy ist. Unberechenbar. Und das macht ihn ja auch aus. Und die Pressejungs haben wenigstens was zu schreiben.«
    Er lachte gezwungen, und bei »Pressejungs« war ein kurzes Lispelfeuerwerk abgeschossen worden. Der Edelstein putzte sich verstohlen die Wange ab.
    Die Malleck kam wieder und sah immer noch blass aus.
    »Hast du ihn gefunden?«, fragte der Anwalt Edelstein.
    Die Malleck schüttelte den Kopf.
    »Die anderen wissen auch nicht, wo er sein könnte. Er muss wohl zum Hinterausgang raus sein. Ans Telefon geht er jedenfalls nicht. Holger, ich will nach Hause. Hallo Karsten.«
    Die Malleck und der Anwalt Edelstein verabschiedeten sich und gingen über den Innenhof, wo ich schon die zweite Zigarette rauchte, raus auf die Straße zu den Taxis. Der Holger hielt dabei seinen Arm schützend vor die Malleck, so als wären wir auf dem Flughafen in Los Angeles und er müsste einen Angriff der Paparazzi abwehren. Hündisch, wie der Edelstein sich gegenüber der Malleck benahm. Ich hätte der Malleck gerne noch einen schönen Abend gewünscht, aber sie sah mich nicht unter all den rauchenden Leuten.
    Dem Mandel oben ließ das mit dem Verschwinden vom Tilmann keine Ruhe. Und das eine, das muss man dem Mandel lassen: Obwohl er ein

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