Mandels Buero
betrunkener Stier.
Rebell, Rebell, schrei so laut du kannst
Sommer sind zum Träumen da
Sommer sind zum Brennen da
Schrei die Stille in Grund und Boden
Sommerrebell, Sommerrebell
Und dann sah ich auch die Malleck. Nur wenige Reihen vor mir stand sie mit einem Typen mit kurzrasierten Haaren und Polohemd. Sie sprang, sie jubelte, sie war völlig außer sich. Sie sang mit und warf dem Mandel Luftküsse zu. Ich fühlte mich jetzt endgültig fehl am Platz. Der Mandel trat unter dem Gejohle der Musikjournalisten vom Mikro zurück. Die hysterischen Fans schauten ein bisschen befremdet, aber klatschten höflich.
»Give it up for Max Mandel«, schrie der Tilmann ins Mikrofon. Und »Gute Nacht!« hinterher.
Die Band wanderte hinter die Bühne ab, während der Mandel unbeholfen wieder ins Publikum kletterte, wo er von der Malleck stürmisch in Empfang genommen wurde. Als sie ihm um den Hals fiel, ging ich zu ihnen.
»Hi, Sigi«, sagte die Malleck noch aus der Umarmung mit dem Mandel heraus.
»Hallo«, sagte ich. »War’s das schon?«
»Nein«, sagten der Mandel und die Malleck gleichzeitig.
»Die haben sich noch ein hammer Zugabenprogramm ausgedacht. Der Leo nimmt nur kurz sein Asthmaspray, und dann kommen sie wieder. Kennst du eigentlich den Holger?«, fragte die Malleck und nahm den großen kahlen Mann mit dem teuren Polohemd bei der Schulter, drehte ihn in meine Richtung.
»Holger, das ist der Sigi Singer, der Partner vom Max. Sigi, das ist der Holger, mein Anwalt.«
»Na?«, sagte der Holger Edelstein und schüttelte meine Hand. Wenn jemand schon »Na?« sagte.
»Und das ist der große Max Mandel, Musikjournalist, Freund der Stars und neuerdings Punkrocksänger«, lachte die Malleck und drehte den Holger Edelstein noch ein paar Grad weiter in Richtung Mandel.
»Geiler Auftritt«, sagte der Holger Edelstein, und »geil« ist auch so ein Scheißwort, dachte ich.
»Ich hol dir schnell deinen Drink, Roni«, sagte der Holger Edelstein zur Malleck und ließ uns mit ihr allein.
Jetzt wusste keiner von uns so recht, was er mit der Malleck reden sollte, weil Stimmung zwar ausgelassen, aber Anlass ja nach wie vor unschön, weil Spionage. Sogar Industriespionage, wenn man den Auftrag vom Urbaniak miteinrechnete. Wo war der eigentlich? Die Malleck sah übrigens schon wieder anders aus als heute Nachmittag. Eine kurze schwarze Hose und türkise Leggins darunter. Hohe Schuhe mit Korkabsatz. Aber ihr Geruch war noch derselbe wie im Park. Der Geruch, der ohnehin seit Stunden durch meine Sinne irrlichterte. Die Situation mit den ganzen Leuten hier war mir unangenehm. Ich wollte mich lieber mit der Malleck allein unterhalten. Die hysterischen Fans von der Ticketverlosung schrien und pfiffen, als ginge es um ihr Leben. Das Saallicht war noch nicht wieder an, und alles schaute auf die Bühne. Die Malleck sagte dem Mandel etwas ins Ohr. Ich schaute auf die Uhr, seit fast zehn Minuten war die Bühne jetzt leer, aber das Licht blieb aus. Ich blickte zum seitlichen Bühnenaufgang. Dort schaute ein Techniker ebenfalls auf die Uhr. Es dauerte noch weitere fünf Minuten, dann kam der Edelstein mit unseren Getränken zurück.
»Sorry. Hab mich an der Bar verquatscht«, sagte er und gab der Malleck ein Glas mit einer roten Flüssigkeit. Dem Mandel und mir drückte er eine Flasche Bier in die Hand. Es war ein holländisches Bier.
»Ist der Leo wieder aufgetaucht?«, fragte der Edelstein.
Die Malleck schüttelte den Kopf. Der Mandel schaute ernst drein, als wäre er der Tourmanager oder so was in der Art.
»Wo kann er denn sein?«, fragte der Edelstein.
»Keine Ahnung. Ich versteh das auch nicht«, sagte die Malleck und sah jetzt auch aus, als wäre ihr gerade etwas sehr Unangenehmes zugestoßen.
Erst kam der Kai Bartels auf die Bühne, dann der Rest.
»Liebe Fans«, sagte der Bartels. »Der Leo ist leider nicht auffindbar, und falls er das jetzt hört, wird er dringend gebeten auf die Bühne zu kommen, weil ich sonst heute Abend ›Totengräber‹ singen muss, und das willst du doch nicht, Leo, oder?«
Die Band ging wieder zu ihren Instrumenten, aber immer noch kein Tilmann. Der Kai Bartels schaute besorgt zum Bühnenaufgang, dann besprach er sich mit dem Kretschmann und ging zum Schredder hinters Schlagzeug. Eine allgemeine Verunsicherung lag in der Luft. Der Kai Bartels trat an das Mikrofon ganz vorne, wo bis vor kurzem noch der Tilmann gestanden hatte.
»Na gut. Soll ich das mal probieren?«, fragte der Bartels die Leute,
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