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Mandels Buero

Mandels Buero

Titel: Mandels Buero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berni Mayer
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bis hinten renoviert hatten, der Lastenaufzug war der alte. Vielleicht sogar noch von vor dem Krieg. Ein schwerfälliges, vergittertes Ungetüm mit einer Art Stange als Bedienelement. Und einem alten Schloss. Also erst Schlüssel rum, dann Stange runter und dann ächzte man langsam nach oben oder unten, je nachdem, wohin man wollte. Während die Roadies die Kiste jetzt in den Aufzug rollten, wählte der Mandel die Telefonnummer vom Tilmann. Er wartete auf das Freizeichen, und die Roadies zogen die Gittertür zu und drückten die Stange runter. Als sich der alte Aufzug bärbeißig in Bewegung setzte, hörte der Mandel grade das Freizeichen auf seinem Telefon. Aber er hörte noch etwas anderes. Den Klingelton vom Tilmann, den er noch gut von dem Abendessen beim Italiener im Ohr hatte, da hatte es alle drei Minuten geklingelt. Es war »Mer stonn zo dir, FC Kölle«, weil der Tilmann offensichtlich Köln-Fan war. Nur ein paar Sekunden hörte der Mandel den Refrain, dann waren De Höhner wieder verstummt. Doch das Freizeichen blieb.
    Natürlich brauchte der Mandel nur eine Schrecksekunde, um zu verstehen, was das bedeutete. Danach rannte er so schnell er konnte, die Treppen hinunter zum Hinterausgang, wo die beiden Roadies gerade die Kiste aus dem Aufzug rollten. Auf der Gebäuderückseite wartete ein Lkw.
    »Halt, stopp!«, rief er den Roadies zu.
    »Was will er denn?«, motzte der mit den keinen Haaren.
    »Mach das Ding auf«, sagte der Mandel und hielt sein Telefon in die Luft. Die Blicke der Roadies folgten dem Handy vom Mandel willenlos in die Luft. Es dauerte einen Moment, aber jetzt mussten auch die Roadies kapiert haben, woher die Musik stammte.
Mer schwöre dir he op Treu un op Iehr:
    Mer stonn zo dir FC Kölle!
    Un mer jon met dir, wenn et sin muss, durch et Füer,
    Halde immer nur zo dir, FC Kölle!
    »Hat wohl jemand sein Telefon drin vergessen. Is das Bassdrum-Case vom Schredder«, sagte der Roadie mit den langen Haaren.
    »Nicht unser Problem«, sagte der ohne Haare, aber der andere entriegelte schon die sogenannten Butterfly-Verschlüsse. Er hob den Deckel ab, und noch bevor der andere Roadie und der Mandel etwas sehen konnten, trat er zurück und sagte:
    »Fotzendreck.«
    De Höhner sangen jetzt laut das FC -Köln-Lied. Der Mandel schaute in die Kiste, und da brauchte man kein Kriminaler sein, um auf einen Blick zu sehen, dass eine Sauerei passiert war. Eine braune Wolldecke lag obenauf, links oben war sie leicht umgeschlagen, und es schaute ein rot-weißer Turnschuh heraus. Der Mandel zog die Decke weg. Ich kann jetzt auch nur seine Beschreibung wiedergeben, aber es muss gar nicht so unappetitlich ausgesehen haben, wie es sich gleich anhören wird. Eher extraordinär, also irgendwie außerhalb der üblichen Wahrnehmung, sagt der Mandel.
    In der Kiste lag der Tilmann zusammengeklappt wie in einer Yoga-Stellung. Als hätte man ihn einfach verbogen, damit er in die Bassdrum-Kiste passte. Das Gesicht vom Tilmann war blutverschmiert, die Haare blutnass, und da befand sich ein ziemliches Loch über dem Auge, aus dem Blut austrat und was weiß ich was noch. Der halbe Tilmann trug immer noch sein schwarzes Bühnenhemd mit den westernmäßig bestickten Brusttaschen. Seine Augen waren weit aufgerissen und schauten den Mandel vorwurfsvoll an. Schräg über den Oberkörper vom Tilmann hatte man seinen Unterkörper geworfen. Der Mandel kapierte sofort: Jemand hatte den Tilmann in der Mitte auseinandergetrennt und portionsgerecht zum Abtransport fertig gemacht. Die Beine in der Jeans mit dem Westerngürtel mit der protzigen Schnalle und den Basketballschuhen lagen auf dem Brustkorb vom Tilmann, wie einen Liegestuhl hatte man ihn zusammengeklappt und verstaut, badend im eigenen Blut. Das Telefon mit der FC -Köln-Hymne hatte aufgehört zu klingeln, und beim Mandel am Telefon ging der Anrufbeantworter ran.
    »Yeah, Freunde, hier is Leo, aber leider nicht persönlich. Nachricht nach dem Ton.«
    Und natürlich klang das für den Mandel wie »Nachricht nach dem Tod«.

Neun

    Der Mandel hatte erst die Polizei und dann mich angerufen. Ich war schon auf dem Weg nach Hause, als sein Anruf mich erreichte. Als ich zum Hintereingang vom Kunstpalast kam, unterhielt sich ein Uniformierter mit dem Mandel. Der Kai Bartels stand daneben und schaute auf den Boden. Besagte Kiste lag immer noch am Hinterausgang vom Kunstpalast, genau da, wo der Mandel sie hatte öffnen lassen. Ein Krankenwagen fuhr vor, und zwei Sanitäter sprangen

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