Mandels Buero
dem Fenster stand. Die Gardinen waren fast zugezogen, aber ein kleiner Spalt ließ einen Blick zu. Der Hausmeister saß drinnen an einem Küchentisch und rauchte einen dicken Jolly Roger. Die scheinheilige Kröte. Draußen einen auf Saubermann machen und sich in den eigenen vier Wänden ins Delirium rauchen. Ich klopfte dermaßen an die Scheibe, dass dem Hausmeister fast der Joint aus der Hand gefallen wäre. Er drückte ihn hektisch aus. Das Fenster ging auf, die Gardinen zurück.
»Das ist Ruhestörung, Herr Singer. Und Sie stehen auf den Bodendecker-Rosen.«
»Uh, das verstößt sicher gegen die Hausordnung.«
»Janz jenau«, sagte der Hausmeister.
»Und wie steht’s mit Einnahme von Rauschgift in der Einbauküche? Da ist die Hausverwaltung sicher kulant, oder?«
»Ick wees nicht, wat Sie hier … «, fing der Hausmeister an.
»Sparen Sie sich die Ausreden. Ich hab hier ein schönes Foto auf meinem Telefon«, log ich und hielt ihm mein Mobiltelefon unter die Nase.
»Was wollnse von mir?«, fragte der Hausmeister.
»Sie drehen mir jetzt zwei extrastarke Dinger von Ihrem Kraut und reichen sie mir durchs Fenster.«
»Und dann löschense dit Foto, wa?«
»Mal sehen. Kommt drauf an, ob Sie mich weiter jeden Tag wegen irgendwelcher Kleinigkeiten zur Sau machen.«
Auf dem Weg zur U-Bahn hatte ich mir die erste der beiden Hausmeister-Zigaretten zu Gemüte geführt und war jetzt schon breit wie ein Haus. In so einem Zustand war ich lange nicht mehr gewesen, weil ich auch grade erst wieder angefangen hatte mit dem Kiffen. Klar, früher jeden Tag unter der Woche die große Bong, um vierzehn Uhr, in der WG , vom Zirngibl Flo, als Star Trek Next Generation noch auf Sat 1 kam. Aber nach dem Studium nur noch Verlegenheitsdroge. So richtig Interesse an der Kifferei kam erst wieder Ende letzten Jahres auf, als ich wieder mehr Hip-Hop hörte. An einem langweiligen Freitagabend hab ich mir Friday mit Chris Tucker und Ice Cube angeschaut, den übrigens auch Quentin Tarantino wärmstens empfiehlt. Ein reinrassiger Kifferfilm, da wollen wir mal gar nichts wegtun, aber mir hat er irgendwie begreiflich gemacht, dass man nicht Hip-Hop hören kann, ohne Marihuana zu rauchen. Und so funktionierte mein Wiedereinstieg. Kiffen führt ja bei mir nicht zu einer grenzenlosen Albernheit oder einer überbordenden Fantasie wie bei anderen Leuten, ich entwickle eher eine innere Ruhe. So ähnlich, stelle ich mir vor, ist es, der Mandel zu sein. Die Welt um mich herum bewegt sich dann in Zeitlupe wie in einem der Filme von dem Typen – Name vergessen. Ich aber in Normaltempo mitten durch die Zeitlupen, Sinne geschärft, vor allem der Geruchssinn. Nehmen wir als Beispiel den strömenden Regen aus meiner Erzählung gerade: Regentropfen in Zeitlupe auf den Bordstein, das Auftreffen und Aufplatzen. Malerisch. Und dann der Geruch vom Regen. Würzig, fischig, frisch. Sehr guter Geruch.
Beim Poschardt ums Eck stand das gelbe Fahrschulauto. Mit gültigem Parkschein. Ich zündete mir den zweiten Joint an und überlegte. Es regnete immer noch, und ich fühlte mich wie ein nasser Hund. Ein Hund in Zeitlupe mit einem unglaublich scharfen Geruchssinn. Ich konnte nicht ins Poschardt, ich sah zu scheiße aus. Unrasiert und ungekämmt waren in dieser Stadt ja die geringeren Übel, aber triefnasse Kleidung und das Gelbe in den Augen, das kam nicht gut an im Poschardt, wenn man kein Erfolgreicher ist. Ich hätte mir woanders gerne ein Bier zum Mitnehmen gekauft, aber die Gegend hier war zu arriviert für einen Spätkauf.
Eine Stunde lungerte ich herum und hörte Jay-Z auf dem Kopfhörer, dann kamen der Mandel und die Malleck aus dem Poschardt. Ich weiß natürlich, dass man kein Rap-Connaisseur sein musste, um das Black Album gut zu finden, aber super Platte ist super Platte, selbst wenn sie total erfolgreich ist. Man könnte sich jetzt fragen, ob das Poschardt nicht der ganz falsche Platz für Personen des öffentlichen Interesses war, vor allem, wenn frisch verwitwet und der hauseigene Anwalt frische Wasserleiche. Aber das ist es ja, was das Poschardt ausmacht. Am Abend waren da nur geladene Gäste, Freunde des Hauses oder ganz intime Freunde von Freunden des Hauses. Meistens Prominente, Industrielle, alles Leute, die kein Interesse daran hatten, sich gegenseitig per Klatsch und Tratsch das Leben schwerzumachen. Das war ein ungeschriebenes, aber ehernes Gesetz im Poschardt. So gesehen war das Poschardt der einzige Platz in ganz Deutschland, wo die
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