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Mandels Buero

Mandels Buero

Titel: Mandels Buero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berni Mayer
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Idioten hatten mal bessere Zeiten, dachte ich.
    Der Mandel und ich hatten auch bessere Zeiten. Als wir uns praktisch jeden Tag auch nach der Arbeit gesehen haben. Da gab es noch keine Maria, und der Mandel war grade mit der Jana auseinander. Klar waren wir schon länger befreundet, aber es war eine gewisse Oberflächlichkeit eingekehrt, seit wir unsere WG aufgelöst hatten. Aber dann kam unser zweiter Frühling. Das Faschingswochenende vor zehn Jahren. Das war noch in einem anderen Jahrtausend, das muss man sich mal vorstellen.
    1999 saßen der Mandel und ich an einem frühen Freitagabend in der Firma auf der Couch gegenüber von der Rezeption, und ich sagte so etwas wie: »Ich hätte Lust, mich am Wochenende total zu besaufen und bei blöder Musik blöde Frauen kennenzulernen.«
    »Auf Frauen hab ich Lust. Auf blöde Musik eigentlich nicht«, sagte der Mandel.
    »Ist nicht gerade Fasching? Weil im Fasching ist doch immer überall was los«, sagte ich.
    »Hier gibt’s keinen Fasching. Und außerdem ist Fasching doch was für notorische Spaßvögel und Leute, die gerne Afro-Perücken aufsetzen. Und es gibt keinen Fasching, bei dem die Musik erträglich wäre. Da laufen Sachen wie ›Viva Colonia‹«, sagte der Mandel. »›Viva Colonia‹!«
    »Was kein schlechter Song ist. Aber Fasching ist vor allem enthemmt. Pflichtenthemmt. Zwangsenthemmt. Schau mal, sonst gehen die Leute immer wie hinprogrammiert in Clubs oder hocken blöd in der Bar. Da passiert ja nie was, weil alle so angestrengt drauf warten, dass was passiert. Aber im Fasching muss man nicht drauf warten, weil da passiert ja von selbst was, weil alle so enthemmt sind. Das fängt schon beim Kostüm an. Eine Verkleidung fördert immer die Enthemmung.«
    »Ich kann dir nicht folgen, Sigi.«
    »Durch die Pflichtenthemmung sind Frauen bereit, ihren Dünkel abzulegen. Und ihre ewigen Überlegungen, wer, wann, wie und warum. Weil sie im Kostüm gar nicht sie selbst sind. Da können sie ihre krampfhaften Zukunftspläne endlich mal beiseitelegen. Und du musst auch nicht überlegen, ob das die zukünftige Frau Mandel wird, weil ist ja nur für’n Fasching.«
    »Ich zieh kein Kostüm an, beim besten Willen.«
    »Doch, da müssen wir ein bisschen über unseren Schatten springen. Und außerdem gibt es ein todsicheres Kostüm, das immer bei den Weibern ankommt und trotzdem nicht albern ausschaut.«
    »Und das wäre?«
    »Cowboy.«
    »Cowboy?«
    »Cowboy.«
    »Echt jetzt?
    »Hundertprozentig.«
    »Cowboy, sagst du.«
    »Cowboy, sag ich.«
    »Hmm.«
    »Oder?«
    »Cowboy also.«
    »Unbedingt Cowboy.«
    »Und wo bekämen wir dann Kostüme her bis morgen, vorausgesetzt, wir finden in dieser Stadt überhaupt einen Fasching?«
    »Na, erstens musst du nur zum Karstadt gehen, und zweitens bleiben wir nicht in der Stadt«, sagte ich.
    »Sondern?«
    »Wir fahren nach München.«
    »Nach München?«, fragte der Mandel entsetzt.
    »Logisch nach München. In München ist der Fasching schön ausgelassen, aber noch nicht so unbarmherzig wie in Köln. Genau das Richtige für uns Faschingsnovizen.«
    »Meinst du?«
    »Auf jeden Fall. Und ich weiß, wie wir sogar noch eine Veranstaltung finden, wo sich nicht nur die ganz primitiven Faschingsfanatiker aufhalten.«
    »Und wie?«
    »Wir gehen auf einen Studentenfasching.«
    »Das ist echt die blödeste Idee, die ich seit langem gehört habe«, sagte der Mandel.
    Und das verbindet natürlich, wenn man im Rahmen einer so blöden Idee am Samstag in aller Herrgottsfrühe sechs Stunden im Auto quer durch Deutschland fährt. Weil man sich auch ganz anders austauscht als im Büro oder beim Kaffee morgens in der Wohngemeinschaft. Wobei der Mandel zu dem Zeitpunkt schon eine eigene Wohnung hatte. Das mit der WG hat nicht lange gehalten wegen den unterschiedlichen Bedürfnissen und der ganzen gegenseitigen Erwartungshaltung.
    Zum Karstadt wegen der Kostüme sind wir dann auch erst in München gegangen, und das war schon ein großartiger Spaß. Da standen wir vor dem Spiegel und haben uns gegenseitig verschiedene Hüte aufgesetzt und uns über die Preise der Colts beschwert und gefachsimpelt, ob ein Patronengurt zu unserem Stil passt oder nicht. Letztlich entschied sich der Mandel, ganz in Schwarz, mit seinem alten Ledermantel aus den Neunzigern, zum Fasching zu gehen. Ich selbst hatte mir ein Jeanshemd gekauft und trug eine zerrissene Jeans. Über dem Hemd so eine Weste aus falschem Wildleder, auch aus der Faschingsabteilung, aber frage nicht, wie

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