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Mandels Buero

Mandels Buero

Titel: Mandels Buero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berni Mayer
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Strand«, sagte der Mandel, als müsste man das wissen.
    »Haha, und das ist ja süß, dass sie glaubt, dir geht es nicht ums Geschäft«, sagte ich.
    Der Mandel riss mir das Papier aus der Hand und sagte: »Ums Geschäft geht es doch schon lange nicht mehr.«
    »Sondern?«
    »Darum, dass das irgendein Ende finden muss.«
    Dann machte der Mandel die Musik an: Neil Young, »Southern Man« von der After The Goldrush . Ab der Hälfte ein einziges Gitarrensolo. Und kein gutes.
    Auf dem Weg nach Binz über die Insel haben sie den Mandel geblitzt. Da war eine Siebziger-Zone, von der wir beide dachten, sie wäre eigentlich längst zu Ende. Aber das war eigentlich klar, dass die Polizei gerade hier ihr Blitzgerät hinstellt. Das sei die Wegelagerei der Moderne, sagte der Mandel. Raubritter, fügte er hinzu.
    Zielsicher steuerte er auf Binz zu, schlängelte sich durch die Ortschaft bis zur Promenade. Ich war bis zu dem Tag noch nie auf Rügen gewesen, aber war nicht beeindruckt. Was die Villen im Ortsbild positiv herausrissen, das glichen die Leute wieder negativ aus. Spießige Rentner und ranzige Spießer, nordische Geher, fahrradfahrende Fitnessextremisten mit neongelben Helmen und quengelnde Kleinkinder. Der Mandel fand einen Parkplatz in der Geschäftsstraße, der auf eine Stunde begrenzt war. Er holte zielsicher eine Parkscheibe aus dem Handschuhfach und legte sie hinter die Windschutzscheibe, wie es sich gehört. Dann stiegen wir aus und gingen vor bis zur Promenade und die dann hinunter. Der Mandel wusste offensichtlich genau, wohin. Ich betrachtete den Strand. Er war fast leer, der Tag hatte regnerisch angefangen. Es war ein schöner Strand, weiß und breit, wie man ihn sich im Urlaub wünschen würde. Schade um den schönen Strand in so einer piefigen Ortschaft.
    »Warst du hier schon mal?«, fragte ich den Mandel.
    »Ja.«
    »Mit wem denn?«
    »Mit meinem Vater.«
    »Echt? Ich dachte, du redest seit fünfzehn Jahren nicht mehr mit ihm.«
    »Er war zur Kur hier und wollte sein Erbe mit mir besprechen.«
    »Und was erbst du?«
    »Nichts«, sagte der Mandel und zog an einer Haarsträhne, die ihm in die Stirn hing. Damit war das Thema für ihn erledigt.
    Die Sache mit dem Mandel-Vater war immer schon ein heikles Eisen gewesen. Ich wusste nicht viel über das Verhältnis, außer dass es eigentlich keins mehr gab. Die Mama vom Dieter und vom Mandel war gestorben, als der Mandel zehn war, und das Über-Patriarchat schien dem Mandel nicht so gutgetan zu haben. Selbst wenn die beiden Brüder heute zusammensaßen, erwähnten sie so gut wie nie ihren Vater. Alles, was ich wusste: Der Vater vom Mandel wohnte im Nachbarort vom Dieter, der sich um das Behördliche bei dem alten Mann kümmerte und auch seine Haushälterin bezahlte. Der Mandelvater hatte zwar einiges angespart, behauptete aber vehement, er hätte nichts mehr. Die Mandels haben früher eine eigene Firma gehabt, eine Schweißerei, wenn ich das richtig im Kopf hab. In den Achtzigern hatte der Mandel-Vater Konkurs angemeldet, aber sich noch in den Siebzigern so viel zur Seite gelegt, dass er sich zwei vollständige Mietshäuser in Regensburg hatte kaufen können. Und von den Mieten hatte er angeblich nicht schlecht leben können, in seinem alten Haus, alleine mit seiner Haushälterin, die aber der Dieter bezahlen musste. Das war alles, was der Mandel von daheim erzählen wollte.
    Das Telefon vom Mandel summte in seiner Innentasche. Nicht das erste Mal.
    »Wer ruft denn da dauernd an?«
    »Ach, das ist der Dieter. Der will wissen, ob wir gut angekommen sind.«
    »Wieso gut angekommen?«
    »Wegen seinem Auto wahrscheinlich.«
    Jetzt sah ich das UFO . Und es sah wirklich mehr nach einem Flugobjekt als nach einem Bademeisterhaus aus. Ich kann es gar nicht richtig beschreiben, es war ein weißer Behälter auf einer kurzen Säule, abgerundete Ecken, riesige Fenster darin. Wie aus der Kulisse eines windigen Science-Fiction-Films aus den Sechzigern. Ed Wood bestenfalls. Oder wie eine extravagante Konstruktion aus den Neunzigern, als man mit einer rücksichtslosen Penetranz überall das Loungeflair der Sechziger hat hineindesignen müssen.
    Natürlich hielten wir längst die Augen offen nach Adriana. Keine Ahnung, wie sie aussah, aber wenn sie eine Bumse vom Tilmann war, dann sicher nicht allzu schlecht und nicht allzu alt. Wir waren noch zirka hundert Meter vom UFO entfernt, als ich beobachtete, wie sich vom Strand aus eine Frau näherte. Weiße Strickjacke, weiße Leggins.

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