Mandys Verlangen
Meine Mutter hat beim Aufräumen meines Zimmers Fotos von dir gefunden, Leonie, und mir so lange die Hölle heiß gemacht, bis mir nichts anderes mehr übrig blieb, als ihr die ganze Geschichte zu erzählen. Danach ging es allerdings erst richtig los. Meine Mutter hat mir einen langen, lauten, von Ohrfeigen und Boxhieben begleiteten Vortrag über die Ehre an sich und die Ehre der Familie Evangelucci im Besonderen gehalten und mich, nachdem ich hoch und heilig versprochen habe, dich zu heiraten, zum Flughafen geprügelt, damit ich mich nicht noch mal aus dem Staub machen konnte.
Dieses für ihn unrühmliche Kapitel aus der Vergangenheit sollte allerdings ein Geheimnis zwischen Carlo und seiner Mutter bleiben, und das würde es wohl auch, solange Leonie kein Wort Italienisch verstand.
Diese grübelte gerade intensiv über die Frage nach, was besser war: den Spatz (Carlo) in der Hand oder die Taube (Nicholas) auf dem Dach?
Der Spatz war ihr sicher, Nicholas dagegen ging ihr aus dem Wege, wie und wo er nur konnte. Er zweifelte nach wie vor daran, dass das Kind von ihm war, womit er ja auch recht hatte. Der Vaterschaftstest, auf den er bestand, würde so gut wie sicher ergeben, dass er nicht als Erzeuger infrage kam. Das hieß für Leonie, dass sie weder Unterhalt für das Kind noch für sich selbst erhalten würde. Wovon sollte sie dann leben?
Carlo verlangte keinen Nachweis, und selbst wenn er doch noch auf die Idee kam, die Vaterschaft prüfen zu lassen, brauchte sich Leonie keine Sorgen zu machen. Er war der Vater ihres Kindes und würde für sie beide sorgen müssen. Und mit einem Ring am Finger war sie dabei auf der sicheren Seite.
Sie hatte natürlich auch schon daran gedacht, das Kind zur Adoption freizugeben. Doch eine Ehe mit Carlo war ohne Zweifel die bessere Lösung.
»Ehi, figlio!« Carlotta dauerte das Schweigen zu lange. » Ci vuole molto ancora? Was ist los mit ihr? Will sie dich etwa nicht?«
»Doch, doch, Mama«, versicherte Carlo eilig. »Sie überlegt nur noch.«
»Sag ihr, dass sie kein besseres Angebot bekommt«, bestimmte Carlotta. » Santo cielo, sbrigati. Beeil dich. Ich habe keine Lust, ewig hier auf dieser dummen Treppe herumzustehen.«
»Baby?« Carlo streckte die Hand aus und legte sie auf Leonies Schulter. »Bitte, sag doch, nimmst du meinen Antrag an?«
Leonie hob den Kopf und sah ihn an.
»Ja.« Sie nickte. Er war zwar ein Loser und Faulpelz, aber zusammen mit seiner energischen Mutter würde sie ihn schon dazu kriegen, regelmäßig Geld nach Hause zu bringen.
Carlotta zupfte ihren Sohn ungeduldig am Ärmel seines Hemdes.
»Carlo, cosa dice? Ha detto sí? «
»Sie hat ja gesagt«, antwortete er seufzend.
»Dann küss sie endlich, idiota , und dann lass uns gehen.«
Carlo gehorchte, und Leonie ließ sich den Kuss gefallen. Einen Trost hatte sie ja, auch wenn die Ehe mit ihm vielleicht keinen gesellschaftlichen Aufstieg versprach, so war er wenigstens gut im Bett. Und vielleicht lief ihr ja doch irgendwann noch mal ein Typ über den Weg, der ihr all das bieten konnte, auf das sie jetzt verzichten musste. Ewig würde sie schließlich nicht schwanger sein, und auch in Italien war es möglich, sich scheiden zu lassen.
»Lass uns deine Sachen packen«, schlug Carlo vor, der die Blicke seiner Mutter im Rücken spürte.
»Wie, gleich?« Leonie zwinkerte nervös.
»Na eben gleich.« Carlo nickte. »Mama möchte, dass wir sofort nach Denver fahren und dort alles für deine Ausreise in die Wege leiten. Heiraten werden wir dann in Italien.«
Jetzt war Leonie doch verunsichert, aber dann sagte sie sich, dass sie hier eigentlich nichts mehr hielt. Am allerwenigsten Nicholas, der sie ja doch nur wie Luft behandelte.
»In Ordnung.« Sie nickte entschlossen. »Dann hilf mir bitte beim Packen.«
»Che cosa ha detto?« , fragte Carlotta erneut.
»Sie hat gesagt, dass wir ihre Sachen packen sollen«, übersetzte Carlo.
Carlotta atmete erleichtert auf.
» Molto bene! Ich warte im Taxi.« Damit drehte sie sich um und stieg die Treppe ins Erdgeschoss hinunter.
Seufzend folgte Carlo seiner nunmehr offiziellen Verlobten in ihr Zimmer.
»Wie wär’s mit einem Tanz?« Beim Klang von Nicholas’ Stimme fuhr Mandy erschrocken herum. Sie war so damit beschäftigt gewesen, nach seiner schwangeren Blondine Ausschau zu halten, dass sie alles andere um sich herum vergessen hatte. »Oh, entschuldige.« Nicholas lächelte neckend. »Ich wollte dich nicht aus deinen süßen Träumen
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