Mandys Verlangen
Bemühen aber schließlich erfolglos aufgeben müssen.
»Oh, ich habe verschlafen.« Die Erkenntnis rief bei Rudy keine größeren Emotionen hervor. »Schade, ich wollte noch einkaufen, bevor ich in den Shop gehe.«
»Du solltest längst im Shop sein«, erinnerte Mandy sie sanft. »Meine Süße, das ist das dritte Mal in dieser Woche, dass du zu spät zur Arbeit kommst. Wie lange, glaubst du, wirst du den Job noch behalten, wenn du so weitermachst?«
»Ach, komm!« Rudy schwang die Beine aus dem Bett und erhob sich. Nackt tapste sie durchs Zimmer und begann, ihre verstreut herumliegenden Kleidungsstücke zusammenzusuchen. »Die sind doch froh, wenn überhaupt jemand in ihrem vergammelten Laden arbeitet.«
Mandy fiel wieder einmal auf, wie hübsch ihre Freundin eigentlich war. Sie besaß einen schlanken, wohlgeformten Körper, dessen Anblick jeden Mann auf lüsterne Gedanken bringen musste, und eine Haut, die an Marzipan erinnerte. Schade nur, dass Rudy all diese Reize wenig pflegte und auch noch unter ausgeleierten Klamotten versteckte!
»Ob ich nun eine Stunde früher oder später da antanze spielt überhaupt keine Rolle, weil sowieso keine Gäste kommen.« Sie richtete sich auf und grinste Mandy unbekümmert an. »Weißt du, die paar Gewohnheitssäufer, die die Hocker an der klebrigen Bar plattsitzen, bedienen sich notfalls auch selbst. Sind doch sowieso so gut wie zu Hause in dem Laden.«
Mandy stieß einen ungeduldigen Seufzer aus, enthielt sich aber jeglichen Kommentars. Stattdessen packte sie Rudy an den Schultern und schob die Freundin kurzerhand Richtung Badezimmer.
»Du verlotterst immer mehr, weißt du das?«, warf sie ihr vor. »Anständige Menschen duschen, bevor sie am Morgen das Haus verlassen. Du auch, verstanden? Duschen, Zähne putzen, Haare kämmen, das ganze Programm. Danach kannst du von mir aus machen, was du willst.«
»Mensch, du kommst mir vor wie meine Mutter«, maulte Rudy lustlos, aber sie gehorchte und verließ mit einem Arm voller Kleidungsstücke das Zimmer. Gleich darauf verkündete ein Rauschen, dass Rudy den Wasserhahn zumindest aufgedreht hatte.
Als sie fünf Minuten später, noch klatschnass und die Zahnbürste im Mund, wieder aus dem Badezimmer kam, war Mandy gerade dabei, frische Wäsche zurechtzulegen.
»Weißt du, früher, als du diesen Weißkittel noch nicht gekannt hast, warst du irgendwie lockerer drauf«, stellte Rudy fest, während sie Mandy die Kleider abnahm. »Nicht so schrecklich korrekt, so, so …« Sie suchte nach einem passenden Vergleich. »Ach, ich weiß nicht.« Resigniert zuckte sie mit den Schultern. »Eben anders. Mir hast du jedenfalls früher besser gefallen.«
Sie verstummte erneut, doch plötzlich leuchteten ihre großen, braunen Augen.
»Südstaatlerisch!«, platzte Rudy heraus. »Ja, du bist so südstaatlerisch. Mann, ich dachte, das hättest du längst abgelegt.«
Mandy war bei Rudys Worten zusammengezuckt. Obwohl sie nach außen hin stets bemüht war, beherrscht zu wirken und sich ihre Gefühle nicht allzu deutlich anmerken zu lassen, fiel es ihr in diesem Moment unglaublich schwer.
Die Erwähnung ihrer Herkunft hatte ihr einen schmerzhaften Stich versetzt. Nicht, dass sie ihre Vergangenheit verleugnen wollte. Es gab schließlich nichts, wofür sie sich schämen musste. Aber irgendwie hatte sie immer geglaubt, anders zu sein als die Mädchen aus Louisiana, speziell die aus Jacquody Orleans, die wahrscheinlich heute noch in weißen Kleidern herumliefen und »unter sich« bleiben wollten.
Nein, so hatte sie nie sein wollen. Dass ausgerechnet ihre Freundin Rudy jetzt derartige Vergleiche zog, traf Mandy tief.
Sie warf den Kopf in den Nacken, bereit, sich zu verteidigen.
»Na und?« Ihre Augen schienen Funken zu sprühen. »Ich bin Südstaatlerin! Ich habe nie ein Geheimnis daraus gemacht.«
Rudy hatte offenbar keine Lust, das Thema zu vertiefen.
»Ich meine ja nur«, murmelte sie undeutlich, die Zahnbürste immer noch im Mund, und verschwand wieder im Badezimmer.
Während Rudy hinter der geschlossenen Tür in Jeans und T-Shirt schlüpfte, sich dabei achtlos die Zähne schrubbte und sich tatsächlich auch die langen Locken bürstete, war Mandy draußen vollauf damit beschäftigt, ihr aufgewühltes Inneres wieder unter Kontrolle zu bringen.
Was hatte Rudy denn schon gesagt, versuchte sie, sich selbst einzureden. Das war doch nur eine dahingeworfene Bemerkung. Völlig unüberlegt, denn Rudy konnte gar nicht überlegen, jawohl, ha,
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