Mandys Verlangen
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Doch es nützte nichts. Nachdem sie die Freundin eine Viertelstunde später vor dem schmierig aussehenden Fast-FoodLaden mit dem klangvollen Namen Best Lunch abgesetzt hatte und weiterfuhr, kehrten die Erinnerungen mit aller Macht zurück.
Schon ihr Name war eine Zumutung, das fand sie auch heute noch. Ihr Vater und seine Träumereien! Er hatte all seinen Kindern so alberne Namen wie Winter, January, Aspenglow oder wie in ihrem Fall Mandolyn gegeben, in der Hoffnung, dass allein schon dies seine Kinder dazu animieren würde, mehr aus ihrem Leben zu machen als er aus seinem.
Clifford Jonas hatte versucht, mit dem mäßigen Gehalt, das ihm der Staat Louisiana als Polizeibeamten zahlte, eine elfköpfige Familie über die Runden zu bringen. Da das natürlich vorn und hinten nicht funktionierte, hatte seine Frau Betty, einstmals eine vielversprechende Schönheit mit wundervoller Sopranstimme, angefangen, das Fehlende als Bedienung in einer Snackbar dazuzuverdienen. Clifford hatte stets betont, dass dies nur eine vorübergehende Regelung sei.
Eine Mutter von neun Kindern habe zu Hause genug zu tun und sei vollauf ausgelastet. Aber als Mandy mit siebzehn von zu Hause wegging, hatte ihre Mutter immer noch in dieser Snackbar gearbeitet.
Im Geiste sah sie das Haus ihrer Eltern vor sich. Ein langgestreckter einstöckiger Bau mit einem Wellblechdach, unter dem es im Sommer unerträglich heiß wurde, und der üblichen Veranda davor, auf der die unvermeidliche Hollywoodschaukel und Cliffs Schaukelstuhl standen.
Der »Garten«, ein mageres Stück Land hinter dem Haus, auf dem Betty mühsam ein paar Küchenkräuter zog, und der große sandige Hof, auf dem Mandy mit ihren Geschwistern gespielt hatte, waren der gesamte Besitz der Familie Jonas.
Sie waren weit davon entfernt gewesen, wohlhabend zu sein, und Mandy erinnerte sich noch genau daran, wie sie als Kind um die schicke schneeweiße Villa der Claytons geschlichen war. Im Herzen trug sie dabei den brennenden Wunsch, dort leben zu dürfen anstatt in dem windschiefen Holzbau ihrer Eltern, von dem die rosa Farbe in großen Stücken abblätterte. Die Fassade hatte ausgesehen, als ob das Haus die Blattern hätte.
Die bröckelnde Farbe und der Name »Clayton« hatten ihre Kindheit geprägt. Sie symbolisierten alles, was Mandolyns damaliges Leben ausgemacht hatte.
Den Claytons gehörte halb Jacquody. Albert Clayton hatte bereits in jungen Jahren den Posten des Bürgermeisters inne. Als Mandys Erinnerungsvermögen einsetzte, hatte er es bereits zum Senator gebracht und regierte die Region aus seinem weißen Säulenhaus heraus. Er war eine Art unantastbare Eminenz, und sein Wort war Gesetz.
Die Villa war eine der typischen hochherrschaftlichen Plantagenvillen, wie sie rechts und links entlang des Flusses standen. Wunderschöne Paläste mit hohen Säulen, französischen Fenstern und beeindruckenden Freitreppen, welche sich elegant vom Erdgeschoss bis unters Dach hinaufschwangen.
Die Anwesen lagen bis heute auf grünen Rasenflächen inmitten von parkähnlichen Gärten. Hier mühten sich keine dürren Petersilienstängel darum, am Leben zu bleiben. Es blühte und grünte so üppig wie im Paradies dank der Bewässerungsanlagen, die hektoliterweise Nass auf die Pracht sprühen. Und es gab genügend fleißige Hände, die den Park, das Haus und die Kinder in Schuss hielten.
Hinter dem Haus fiel das Gelände sanft ab bis hinunter an das Ufer des Mississippi, der hier sanft und majestätisch am herrschenden Snobismus und der lasziven Langeweile entlangfloß. Es war, als wäre die Zeit stehen geblieben und als könne jeden Moment eine französisch sprechende Dame erscheinen, die jeden Besucher mit kühlem Blick unter schweren Lidern unbarmherzig musterte.
Mandolyn erinnerte sich jedenfalls noch sehr gut an diese Blicke. Sie waren von Noleen auf sie abgeschossen worden. Zwar hatte Noleen kein fließend weißes Organdykleid getragen, aber ihre Haltung und ihre Erscheinung waren immer noch die der Gattin eines reichen Plantagenbesitzers, die sich ihres Standes sehr wohl bewusst ist.
Mehr als einmal hatte Noleen die kleine Mandy in den Büschen erwischt, die das Anwesen vor allzu neugierigen Blicken schützten, und einen der Gärtner beauftragt, das lästige Kind zu vertreiben. Das Gefühl tiefer Demütigung hatte sich in Mandys Gedächtnis eingebrannt, ebenso wie die hochmütigen Blicke der drei Clayton-Kinder, die man nur an Sonn- und Feiertagen zu Gesicht bekam.
Wie
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