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Manhattan Blues

Manhattan Blues

Titel: Manhattan Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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Flachmann.
    McGuire nahm einen kräftigen Schluck und sagte: »Das ist das richtige
Zeug!«
    »Nach meiner Erfahrung«, erwiderte Walter, »kann man zwar immer billig
essen, aber es ist keine gute Idee, billig zu trinken!«
    »Ein umwerfender Anblick ist das!« sagte McGuire.
»Sie sind noch nie hier gewesen?!“
    »Nicht am Silvesterabend!«
    »Das ist ja irre, Mann!« sagte McGuire mit einem Gesichtsausdruck,
der Walter glauben ließ, es sei ein hohes Lob.
    Der Schriftsteller nahm das Joe-Keneally-Tonband aus seinem Seesack
und reichte es Walter. Walter steckte es in den Mantel. »Wohin wollen Sie?«
fragte er.
    McGuire zuckte die Schultern und zeigte nach Westen. »Dahin!«
    »Nachts auf dem Highway?!« fragte Walter. McGuire
lachte und sagte: »Genau dort lebe ich!“
    »Es gibt schlimmere Orte, nehme ich an!“
    »Wie diese Stadt!«
    Nein, dachte Walter, nicht wie diese Stadt. Dies ist der beste Ort auf
der Welt.
    »Nun, ich wünsche Ihnen viel Glück!« sagte Walter.
    »Mit dem Glück bin ich durch, Mann!« entgegnete McGuire. »Ich weiß,
wann ich geschlagen bin!«
    »Das ist gut!« brüllte Walter. »Es ist gut, wenn man das weiß!«
    McGuire packte Walter an den Schultern und starrte ihm in die Augen.
    »Ich habe viel über Sie nachgedacht, Mann!« rief er. »Ich habe
entschieden, daß Sie ein buddhistischer Heiliger sind! Einer dieser dämonischen
Heiligen! Ein Koan! Ein unlösbares Rätsel!“
    »Wissen Sie, eines Tages werde ich mich vielleicht selbst lösen!«
    »Dann werden Sie sterben!« schrie McGuire. »Geben Sie mir noch einen
Drink, dann mache ich mich auf den Weg!«
    Er nahm noch einen kräftigen Schluck und krakeelte in den Nachthimmel:
»Ein Gedicht für Walter Withers: Unter einer Million künstlicher
Lichter! Zwei Heilige humpeln! Einer ist ein gescheiterter Barde! Der andere
ein wandernder Ritter! Beide betrunken! Mit Trauer und Ekstase! Wer weiß, wohin
der Weg uns führt!«
    Walter klatschte Beifall, und McGuire verneigte sich. Er drehte sich
um und war in der Menge verschwunden.
    Walter sah sich die Szene auf dem Times Square noch ein paar Minuten
lang an und ging dann auf der 45. Straße nach Westen. Er überquerte den
Broadway, dann die Eighth Avenue und ging weiter nach Westen, weg von den
Lichtern, ging gegen den Strom der Menschen, die sich beeilten, um auf dem
Times Square zusammenzuströmen. Er befand sich tief in Hell's Kitchen westlich
der Tenth Avenue, als er hörte, wie die Limousine neben ihm anhielt.
    Die hintere Seitentür ging auf, und Walter stieg ein.
    Der Alte streckte ihm eine verwitterte Kralle hin und schüttelte
Walter die Hand. Sein Fleisch fühlte sich so trocken und spröde an wie altes
Pergament.
    »Hallo, junger Freund«, zischte er.
    Selbst in dem schwachen Licht sah sein dünnes Gesicht geisterhaft blaß
aus. Sein weißes Haar kontrastierte scharf mit seinem schwarzen Dinner Jackett,
und Walter fragte sich, von welcher düsteren und grotesken Versammlung er gekommen
war.
    »Hallo, Sir.«
    »Ja, unser Mr. Morrison ist sehr kooperativ«, sagte der Alte mit einem
Lächeln und entblößte lange gelbe Zähne. »Sie haben also Ihren Maulwurf...«,
begann Walter. »Einen davon.«
    » .. .und jetzt besitzt die Firma sogar einen Senator«, ergänzte
Walter.
    »Noch einen Senator«, verbesserte ihn der Alte. »Und
einen möglichen Präsidenten.«
    Walter zog das Tonband aus dem Mantel und legte es neben dem Alten auf
den Sitz. Irgendwann in der nahen Zukunft würde irgendein Beamter es Joe
Keneally vorspielen, ihn darüber aufklären, daß er eine Affäre mit einer
sowjetischen Agentin gehabt habe, und ihm erklären, daß die Firma Loyalität
stets mit Loyalität vergelte. Das wird für Joe Keneally ein schlechter Tag
sein, doch andererseits, dachte Walter, hätte es noch weit schlimmer kommen
können.
    Er zeigte auf das Tonband und sagte: »Jetzt sind Sie an der Reihe.«
    »Sie haben gute Arbeit geleistet«, wiederholte der Alte. »Ihr Vater
wäre...«
    »Erschüttert gewesen«, sagte Walter. »Wie lange wußten Sie schon über
Anne Blanchard Bescheid?«
    »Seit Hamburg, junger Withers«, erwiderte der Alte. »Es gab ein
Signal, ein kurzes Zeichen von einem Ihrer Agenten, bevor alle Signale
verstummten, über eine Operation gegen einen bestimmten US-Senator. Ein
Fliegenfänger, junger Withers, und wer wäre besser geeignet gewesen, ihn
unschädlich zu machen, ja sogar umzudrehen, als der Große Skandinavische Lude
und Tödliche Anwerber persönlich?«
    »Der selbst an

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