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Manhattan Blues

Manhattan Blues

Titel: Manhattan Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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dachte Walter. Detective Sergeant Zaif wird
mir fast fehlen.
    »Auf Wiedersehen, Sam«, sagte Walter. »Oder etwas in der Richtung.«
     
    »Walter Withers, Sie lieber Mann! Ich bin so froh, daß Sie kommen
konnten!« sagte Madeleine Keneally begeistert.
    Walter fand sie hübsch in ihrem weißen Abendkleid, als sie sich im
Ballsaal des Waldorf den Weg durch die Menge bahnte. Hübsch und hochgewachsen,
und wie lautete das Klischee noch? Königlich? Nun, »königlich« paßte durchaus,
doch er war der Meinung, daß sie sich seit der Party vor einer Woche verändert
hatte. Am Heiligen Abend war sie geschritten wie eine Prinzessin. An diesem
Vorabend des Jahres 1959 hatte sie
eher die Haltung einer Königin. Vielleicht weil eine Königin - anders als eine
Prinzessin - die Opfer kennt, die nötig sind, um das Reich zu erhalten. Sie
kennt die Nöte und hat gelernt, sie zu verbergen.
    »Sie ist umwerfend, nicht wahr?« sagte Jimmy Keneally.
    »Sie haben eine Art, an meiner Seite aufzutauchen, die ich
beunruhigend finde«, erwiderte Walter. »Ja, sie ist umwerfend.«
    »Finden Sie, daß er sie verdient?«
    »Ich bin nicht davon überzeugt, daß Liebe etwas mit dem zu tun hat,
was wir verdienen«, gab Walter zurück. »Zumindest in meinem Fall bin ich
sicher, daß es nicht so ist.«
    »Ich habe eine merkwürdige Nachricht von Hoover erhalten.«
    »Das kann ich mir vorstellen.«
    »Nehmen Sie meine Entschuldigung an?«
    »Solange Ihnen klar ist«, entgegnete Walter, »daß ich alles, was ich
getan oder nicht getan habe, nur für sie getan habe und nicht für Sie. Und ganz
gewiß nicht für ihn.«
    »Die Welt ist hart und ungerecht, Walter«, sagte Jimmy. »Selbst als
die Guten müssen wir hart spielen, wenn wir gewinnen wollen.«
    »Das habe ich früher auch immer gedacht«, sagte Walter. »So habe ich
immer gedacht.«
    Ohne den Blick von Madeleine zu wenden, gab er Jimmy die Hand.
    »Jedenfalls«, sagte Walter, »sollten wir uns nicht auf >alte Bekanntschaft<
berufen.«
    »Glückliches neues Jahr, Walter.“
    »Das wünsche ich Ihnen auch.«
    Madeleine entdeckte ihn. Ein strahlendes Lächeln breitete sich auf
ihrem Gesicht aus, und sie schwebte durch den Raum und küßte ihn auf die Wange.
    »Kommen Sie«, sagte sie, nahm ihn beim Ellbogen und führte ihn. »Hier
sind Leute, die Sie einfach kennenlernen müssen.«
    Er sperrte sich behutsam gegen ihre Hand und sagte: »Ich fürchte, ich
kann nicht bleiben. Ich bin nur gekommen, um hallo zu sagen und gleich wieder
zu gehen.«
    Sie schürzte die Lippen zu einem gesellschaftlich akzeptablen
verführerischen Schmollmund und sagte: »Aber es ist noch früh, Walter! Außerdem
habe ich mich so darauf gefreut, Ihnen um Mitternacht einen Kuß zu geben.«
    »Es gibt doch bestimmt noch einen anderen Frosch...«, rutschte ihm
heraus. Dann entdeckte er Joe Keneally, der in eine Unterhaltung mit einer
Gruppe älterer Männer vertieft war, die nur potentielle Geldgeber sein konnten.
»Wie wär's mit dem da drüben?«
    »Meinen Sie wirklich?« gab Madeleine zurück. »Glauben Sie, daß er sich
in einen Prinzen verwandelt, wenn ich ihn küsse?«
    »Darling, wenn Sie ihn
küssen, verwandelt er sich in einen König.«
    »Sie sind wirklich ein lieber
Mann«, sagte sie und drückte ihm die Hand.
    Er führte sie an die Lippen und küßte sie. »Auf
Wiedersehen, Maddy«, sagte er. »Auf Wiedersehen, Walter.«
    Er lungerte am Rand von Keneallys Bewundererschar entlang und fing
einen Blick des Senators auf. Keneally lächelte über die Schulter eines
kleinwüchsigen, glatzköpfigen Herrn hinweg und nickte in Richtung Tür.
    Einige Minuten später trafen sie sich im Waschraum.
    Ohne irgendwelche Präliminarien sagte Keneally: »Ich habe Sie völlig
falsch eingeschätzt, nicht wahr?«
    »Ich denke schon.«
    Walter mußte sich eingestehen, daß Keneallys Lächeln charmant war. Ein
jungenhaftes, unaffektiertes Grinsen, das einem das Gefühl gab, als wäre man
ein Spielverderber, weil man sich nicht an dem Spaß beteiligte.
    »Eine Zeitlang hielt ich Sie für einen Erpresser«, fügte Keneally
hinzu.
    Walter zuckte die Schultern. »Eine Zeitlang hielt ich Sie für einen
Mörder.«
    Keneally streckte eine Hand aus. »Wollen wir sagen, wir sind quitt?«
    »Noch nicht ganz«, sagte Walter und verpaßte Keneally eine harte
Rechte in den Bauch.
    In den B-Filmen aus Walters Jugend hätte ein solcher Schlag Keneally
glatt auf den gefliesten Fußboden geschickt. Doch Joe Keneally war ein
schwerer, kräftiger Mann,

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