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Manhattan Blues

Manhattan Blues

Titel: Manhattan Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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die Treppe hinunter, um ihren Freund zu
suchen.
    »Sie sollten lieber hinterhergehen«, sagte Walter zu Callahan. Und
dann, mit sanfter Stimme: »Vergessen Sie nicht — tun Sie ihnen nicht weh. Sie
schulden mir noch was.«
     
    »Tolle Leistung«, sagte Jimmy Keneally wenige Minuten später zu
Walter. Sie waren wieder auf der Party. Madeleine hatte sich an Keneallys
Schulter gehängt.
    »Ich wünschte nur, ich hätte eine Chance gehabt, dem Mistkerl eine
runterzuhauen«, sagte Joe.
    »Mehr brauchen wir nicht«, sagte Jimmy.
    »Betrunkene Schriftsteller mögen sich zwar wünschen, in der Zeitung zu
sehen, wie sie Präsidentschafts-Aspiranten verprügeln«, sagte Walter, »aber
Präsidentschafts-Aspiranten wünschen nicht in der Zeitung zu sehen, wie sie
auf betrunkene Schriftsteller einprügeln.«
    Joe Keneallys funkelnder Blick wurde zu einem breiten Lächeln: »Was
bringt Sie darauf, ich könnte ein Präsidentschafts-Aspirant sein?«
    »Wir haben doch die Jahreszeit der Hoffnung, Senator.«
    Keneally wandte sich an Madeleine und sagte: »Kennst du diesen
Scheißkerl, Madeleine?«
    »Ich kenne seine Arbeit«, erwiderte sie. »Ich habe sein Buch gelesen.«
    »Dieser Knallkopf hat ein Buch geschrieben?« fragte Keneally. »Keinen
Gedichtband, wie ich hoffe.«
    »Einen Roman«, sagte Madeleine.
    »Er machte aber wirklich den Eindruck, als würde er dich kennen«,
sagte Keneally und starrte sie an.
    Walter schaltete sich ein: »So was passiert, wenn man seine Partys in
den Zeitungen ankündigt, Senator. Da haben Sie unweigerlich einen Konflikt: Sie
wollen die Publizität, aber nicht das Publikum.«
    Keneally antwortete: »Wenn das das Publikum ist, kann ich auf die
Leute verdammt gut verzichten.«
    »Doch jetzt höre ich, daß die Band loslegt«, sagte Walter, »und Ihre
Gäste warten darauf, daß Sie tanzen.«
    Madeleine nahm Keneallys Arm.
    »Zeit, die perfekten Gastgeber zu spielen, Darling«, sagte sie, als
sie ihn wegführte. Sie drehte sich zu Walter um und formte mit den Lippen die
Worte: »Vielen Dank.«
    »Ach, nicht der Rede wert, Ma'am, das ist doch nur mein Job«, murmelte
Walter mehr zu sich selbst.
    »Den Sie aber fabelhaft erledigt haben«, sagte die ansehnliche
Blondine zu ihm. Sie hielt ihm ein Champagnerglas hin.
    »Es ist Heiligabend in Manhattan, und schöne Frauen bieten mir immer
wieder Champagner an, den ich nicht trinken darf«, antwortete Walter. »Ist Ihr
Akzent schwedisch oder dänisch?«
    Ihr dichtes, platinblondes Haar hing ihr bis auf die nackten
Schultern. Ihr weißes Wickelkleid verbarg kaum ihre Brüste, aber es war
trotzdem ihr Gesicht, das die Blicke auf sich zog und festhielt. Vielleicht lag
es daran, daß ihre dunkelblauen Augen ein wenig weiter auseinander lagen, als
es dem Vollkommenheitsideal entsprochen hätte. Vielleicht war es die kaum
merkbare, unskandinavische Krümmung ihrer Nase. Oder die hohen, scharfen
Wangenknochen, an denen ein Schiff zerschellen und untergehen konnte. Oder es
waren ihre schwellenden Lippen, die taktile Freuden versprachen.
    Ein winterliches Wunderland, wahrhaftig, dachte Walter.
    »Sowohl als auch«, erwiderte sie und stellte das Champagnerglas
wieder auf den Tisch. »Mein Vater war Däne, meine Mutter Schwedin. Ich bin in
Kopenhagen groß geworden, bin dann aber nach Schweden zurückgegangen, um Filme
zu drehen.«
    Natürlich, dachte Walter.
    »Möchten Sie denn tanzen«, fragte sie, »wenn Sie schon nicht trinken
können?«
    Nichts lieber als das, dachte Walter.
    »Es geht nicht darum, was ich wünsche«, sagte er. »Es kommt darauf an,
was ich bin. Ich nehme an, es hat sich schon herumgesprochen, daß ich hier der
Bodyguard bin.«
    Sie verlegte ihren Tonfall vom Salon ins Schlafzimmer.
    »Und wessen Body bewachen Sie?« fragte sie.
    »Mrs. Keneally.«
    »Die Glückliche.«
    Sie blickte zu Madeleine und Keneally hinüber, die gerade Walzer
tanzten.
    »Im Augenblick scheint sie aber gut versorgt zu sein«, bemerkte sie.
    Keneally sah Madeleine über die Schulter, entdeckte Walter mit der
Blondine und ließ ein Grinsen unter Männern aufblitzen.
    »Sind Sie in die Staaten gekommen, um Filme zu machen?« fragte Walter.
    »Um es zu versuchen«, sagte sie. Sie streckte die
Hand aus. »Ich heiße Marta Marlund.“
    »Walter Withers.“
    »Ist mir ein Vergnügen.“
    »Ganz meinerseits.«
    Wie kommt es, fragte sich Walter, daß deine Haut
wie eine duftende Frühlingswiese riecht und gleichzeitig nach warmen,
zerknüllten Bettlaken?
    »Habe ich einen Ihrer

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