Manhattan Blues
noch an zu reimen«, sagte Walter.
».. .während Plastik-Weihnachten Plastik-Nägel in dem blutenden Jesus
sieht, der immer ruft >Madeleine, Madeleine, Madeleine.. .<«
»Sie fangen an, sich zu wiederholen«, ermahnte ihn Walter.
Aus dem Augenwinkel sah er einige der jüngeren Männer der Party
näherrücken, offenbar bereit, Madeleine und ihre Kaste zu verteidigen. Er
konnte spüren, wie sich Keneallys Schultern strafften, daß er sich für einen
Kampf bereit machte. Was die Sicherheitsleute anging, hatten sie sich schon
blamiert, so daß es ihnen jetzt einen Riesenspaß machen würde, diese
Beatnik-Eindringlinge zusammenzuschlagen und die Treppe hinunterzuwerfen.
Die drei, die der Tür am nächsten standen, würden kein Problem sein.
Eine angetäuschte Gerade, und sie würden um ihr Leben rennen. Aber McGuire, nun
ja, er hat die Hände eines Hafenarbeiters, die Schultern eines Footballspielers
und eine gebrochene Nase. Von der Bierflasche ganz zu schweigen.
»Madeleine, ach wie traurig, schaurig, Madeleine...«
Es würde eine gewaltige Prügelei geben. Was in den morgigen Zeitungen
ziemlich häßlich aussehen würde, und noch schlimmer in meiner Personalakte,
dachte Walter. Es gibt nur eine Möglichkeit, einen Schriftsteller davor zu
bewahren, Dummheiten zu machen.
»Ich bin ein besserer Dichter«, sagte Walter.
McGuire blieb wie erstarrt stehen und funkelte ihn an.
»Ich bin ein besserer Dichter als Sie«, wiederholte Walter.
McGuire warf den Kopf in den Nacken und murmelte: »Beweisen Sie's.«
Walter baute sich in der Pose eines Poeten auf, der etwas deklamieren
will, räusperte sich laut und verkündete: »Ein Gedicht für Sean McGuire! Eins,
das sich reimt.«
»Lassen Sie hören«, sagte McGuire.
Walter mimte ernste künstlerische Konzentration.
»Es geschah in der Nacht vor Weihnachten«, fing er
an.
Einige kicherten, und sogar McGuire setzte ein dümmliches Grinsen
auf.
»Und in dem vollen Saal des Plaza ...«, fuhr
Walter fort.
»Finden Sie mal einen Reim auf das«, warf
McGuire ein.
»Ein paar Möchtegern-Dichter lärmten und lachten...«
Beifall von den Gefährten McGuires. Dieser, dessen Selbstgefühl
herausgefordert war, wartete auf den Reim.
Ebenso Walter. Er hielt die Stille, als er nach einem Wort suchte.
».. .und störten la casa«, sagte er schließlich.
Beifall und Jubelrufe, wie Walter bemerkte. Immer noch eine
Massenszene, doch war die Masse jetzt jedenfalls auf seiner Seite. McGuire lächelte
und verneigte sich ritterlich vor ihm. Walter erwiderte die Verbeugung und
hielt dann die Hand hoch, um die Leute zum Schweigen zu bringen.
»Die Feinen und die Provos«, fuhr er fort, »haben
sich alle landfein gemacht...«
Gejohle und Gelächter.
»Denn sonst hätten sich der Weihnachtsmann und Sartre schlapp
gelacht.«
Walter bahnte sich den Weg zu McGuire, nahm ihm die Bierflasche aus
der Hand und nahm einen langen Schluck daraus.
»Macht durstig, diese Poesie«, meinte er dazu. Er behielt die Flasche
und ging auf den Fahrstuhl zu. »Als plötzlich mit Geschrei aus
der Halle...«
Er zeigte auf die Sicherheitsleute und zwinkerte ihnen zu, »zwei
irische Jungs herbeistürzten, zu beenden die Randale!«
Gespielte Buhs und Hochrufe. Da sie nicht wußten, was sie sonst hätten
tun können, verneigten sich jetzt auch die verlegenen Sicherheitsleute.
Walter betrat den Fahrstuhl und warf einen schnellen Blick auf die
Knöpfe. Ein Hotel-Wachmann hatte auf »Halt« gedrückt. Walter drückte den Knopf
»Halle« und verließ den Fahrstuhl wieder.
»Was wir hiermit verkünden, und damit ist die Sache beendet«, sagte er
und ließ die Bierflasche vor McGuire baumeln wie eine glänzende
Weihnachtskugel.
McGuire trat vor, um sie zu schnappen, doch Walter trat in den
Fahrstuhl zurück. Er wußte, daß McGuire keinen Rückzieher machen würde. Er
durfte nicht wie ein Narr dastehen. Er würde versuchen, die Flasche an sich zu
bringen.
»Schnell genug?« fragte Walter den Schriftsteller.
Er stellte die Flasche auf den Boden des Fahrstuhls.
McGuire täuschte Desinteresse vor und begann sich abzuwenden. Dann
machte er einen Satz, um an die Flasche heranzukommen. Als er es tat, drückte
Walter auf den Knopf für »Erdgeschoß«. Die Türen gingen zu. Walter schaffte es
noch, herauszukommen, McGuire nicht mehr. Der Fahrstuhl fuhr mit dem Poeten
nach unten.
»Allen ein fröhliches Weihnachtsfest und allen eine gute Nacht«, sagte
Walter.
Gelächter und Applaus.
McGuires Kumpane rannten
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