Manhattan Blues
gestern abend mit Sean fertig geworden«, sagte sie. »Ich
habe gehofft, Sie könnten es noch einmal schaffen. Ich kann Ihnen allerdings
nicht viel zahlen.«
Walter fuhr mit der flachen Hand durch die Luft. Eine schnelle, kurze
Gebärde, um keinen Gedanken an Bezahlung aufkommen zu lassen.
Er sagte: »Ich werde mit Mr. McGuire sprechen.«
»Aber Sie werden doch nicht —«
»Ihm weh tun?« fragte er. »Das ist nicht mein Stil.«
»Er war betrunken.«
»Es war mehr als nur das, und Sie wissen es.«
»Was läßt Sie glauben, ich könnte ihn >retten«
Ich bin nicht mal sicher, ob ich mich selbst retten kann.
»Instinkt?« sagte sie mit einem Schulterzucken. »Außerdem sind Sie
als mein fahrender Ritter verpflichtet, es zu versuchen.«
»Dann habe ich wohl keine Wahl.«
»Da ist noch etwas.«
Grundgütiger Himmel.
»Noch etwas?«
Madeleine Keneally war den Tränen nahe. »Können Sie
ihn retten?« fragte sie. »Ihn retten?«
»Er hat etwas verloren«, sagte sie. »Ich habe es im Plaza gesehen.
Früher war ein Licht in seinen Augen, und plötzlich war es nicht mehr da. Er
sah schwer aus und aufgedunsen und... hatte tote Augen.«
»Er war betrunken.«
»Es war noch etwas anderes, und das wissen Sie.«
»Weshalb glauben Sie, ich könnte ihn >retten« Ich weiß nicht
einmal, ob ich mich selbst retten kann.
»Instinkt?« Sie zuckte die Achseln.« Außerdem haben Sie als mein
weißer Ritter die Verpflichtung, es zu versuchen.«
»Dann habe ich vermutlich keine andere Wahl.«
»Wie kann ich Ihnen danken?«
Er nahm den Deckel von der Pralinenschachtel und wählte sorgfältig
eine aus.
»Sie haben mir einen traurigen und einsamen Weihnachtsabend
vergoldet«, sagte er. »Was will ich mehr? Sie sollten jetzt lieber gehen, denn
sonst fangen die Leute an, über uns zu reden.«
Er half ihr in den Mantel und begleitete sie zur
Tür.
»Machen Sie sich keine Sorgen«, sagte er. »Ich werde mich darum
kümmern.«
Sie küßte ihn auf die Wange und ging.
Aber wie soll ich mich darum kümmern? fragte sich Walter. Ist das
nicht immer die Frage?
Jemand hatte Sean McGuire nach Strich und Faden zusammengeschlagen.
Das sah Walter selbst dem schmalen Stück Gesicht an, das er hinter der
Türkette erkennen konnte. Das Auge, das ihn hinter der Tür anfunkelte, war
purpurrot und fast geschlossen. McGuires Unterlippe war geschwollen und
aufgeplatzt.
»Frohe Weihnachten«, sagte Walter.
»Ich habe das Geld nicht«, murmelte McGuire.
»Ich komme nicht von Martino«, sagte Walter. »Darf ich reinkommen? Ich
würde gern mit Ihnen sprechen.«
»Mir ist nicht danach zumute.«
McGuire machte Anstalten, die Tür zuzumachen.
»Sie kennen mich vom Heiligabend im Plaza«, sagte Walter.
Die Tür ging zu und dann wieder auf. McGuire schlurfte zu einer
nackten Matratze auf dem Fußboden und setzte sich langsam. Er lehnte sich gegen
die Wand, kippte eine Flasche Knickerbocker um und starrte Walter an.
»Das ist es«, sagte McGuire. »Dachte ich es mir doch, daß Sie ein
bißchen zu klein sind, um für Joe Keneally den Muskelmann zu spielen.«
Walter sagte: »Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz. Haben wir Ärger
mit Paulie Martino oder Joe Keneally?«
McGuire zuckte die Schultern.
»Wie kommen Sie darauf, daß Senator Keneally Schlägertrupps
einsetzt?« hakte Walter nach.
McGuire schnaubte. »Ich bin in Massachusetts aufgewachsen. In einem
Dreckloch von Sägemühlenstadt. Ich kenne die Keneallys.«
Walter zündete zwei Gauloises an und reichte eine McGuire.
»Wer sind Sie also?« fragte McGuire.
Walter nahm Hut und Mantel ab und legte sie auf den saubersten Teil
des schmierigen Küchentisches. Die Wohnung war eine typische
Barrow-Street-Bude, Wohn- und Schlafzimmer in einem mit Kochnische und einem
kleinen Badezimmer. Die Behausung war schmutzig und roch nach getrocknetem
Schweiß.
»Ich bin gekommen, um Ihnen zu sagen“, sagte Walter,» daß Sie gut
beraten wären, Ihren kleinen Auftritt im Plaza nicht zu wiederholen, wie amüsant
er auch gewesen sein mag.«
»Hat Keneally Sie geschickt?«
»Ich habe mich selbst geschickt.«
»Ach, tatsächlich? Wie kommt das?«
»Ich bin Ihr Schutzengel«, sagte Walter. »Sie kennen mich sicher aus
dem Plaza. Sie erinnern sich aber nicht, daß ich auch im Cellar war.«
»Ich war betrunken.«
Walter sagte: »Sie haben ein Gedicht vorgelesen. Ich war vielleicht
der einzige Anwesende dort, der es verstanden hat. Ganz gewiß war ich aber der
einzige, der von Paulie
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