Manhattan Blues
fürchte
ich...“
»Was?«
»Ich schäme mich, davor Angst zu haben...“
»Sie fürchten«, sagte Walter, »daß dieser Teil
Ihrer Vergangenheit Sie einholt.« Sie nickte.
Er fuhr fort: »Weil es für Sie so etwas wie ein Privatleben nicht mehr
gibt. Wenn der Senator nominiert wird - und wir glauben beide, daß es so kommt
-, werden Sie nicht nur von der Presse unter die Lupe genommen werden,
sondern...«
»Auch vom FBI.«
»Lustig, daß Sie das sagen, denn ich wollte es auch gerade.«
Als guter CIA-Mann, selbst als vorzeitig pensionierter, verachtete
Walter das FBI. Eine Schlacht im kleinen, wie er vermutete - zwei
rivalisierende Ameisenvölker, die sich um die gleichen Kieselsteine schlagen —,
doch er verabscheute Hoover persönlich. Während beide Behörden mit ähnlichen
Methoden arbeiteten (woher nahm ausgerechnet der Große Skandinavische Lude und
Tödliche Anwerber das Recht, über sexuelle Erpressung zu nörgeln?), glaubte
Walter jedenfalls, daß die CIA zumindest dem Land zu dienen versuchte, während
das FBI in allererster Linie dem Direktor persönlich diente, dieser
verabscheuungswürdigen Kröte. Und Jedgar (so nannte Walter meist den verehrten
Direktor) würde dieses Wissen als Festessen betrachten, dachte Walter. Er würde
vor Freude Luftsprünge machen und sich den Kopf zerbrechen, wen er damit
erpressen konnte und wie. Er würde Keneally sogar davon abhalten können, sich
um die Nominierung zu bemühen, oder ihn einfach laufen lassen, konnte ihn sogar
gewinnen lassen, um ihn dann zu besitzen.
Was wohl letztlich der Grund ist, weshalb ich immer noch als Gast im
Plaza registriert bin.
»Hoover haßt Joe«, sagte Madeleine und fügte hinzu: »Aber nicht so
sehr wie Jimmy.«
»Und beruht das auf Gegenseitigkeit?«
»Sie können es nicht abwarten, ihn rauszuschmeißen«, sagte Madeleine.
»Und Sean ist durchgedreht, wissen Sie, er...«
»Durchgedreht im Sinn von wütend oder verrückt?«
»Ich glaube, beides ist richtig«, sagte Madeleine. »Er wird von
Impulsen beherrscht. Ich habe schon Angst, in seinem nächsten Roman zu
erscheinen oder einer Klatschkolumnistin gegenüber erwähnt zu werden oder auf
dem Times Square ein Plakat zu sehen, auf dem er seine unendliche Liebe
erklärt, oder...«
Man kann die armen Menschen nur bedauern, die nicht als Spione erzogen
wurden. Sie schreiben Dinge auf.
»Haben Sie einander Liebesbriefe geschrieben?« fragte er. »Ja.«
»Erotischer Natur?«
Sie zwang sich, ihn offen anzusehen.
»Ich war in ihn verliebt.«
»Natürlich«, erwiderte er. »Ihnen ist doch klar, daß diese Briefe ein
Problem darstellen.“
»O ja.«
»Wenn er sie aufgehoben hat...“
»Das hat er bestimmt.«
»Ich will Ihr feminines Ego keineswegs verletzen«, sagte Walter, »aber
wenn Sean sie aufgehoben hat und Hoover von ihrer Affäre Wind bekommt, würde
der Direktor alle Hebel in Bewegung setzen, um sie in seine dicken kleinen
Finger zu bekommen. Ich will Sie aber nicht erschrecken.«
»Werden Sie mir helfen?«
Meinetwegen brauchst du keine Angst zu haben, dachte
Walter und erinnerte sich an das, was er ihr erst am Abend zuvor gesagt hatte.
»Vielleicht hält McGuire den Mund, wenn man ihm etwas zahlt«, sagte
er.
»Geld bedeutet Sean gar nichts«, sagte sie. »Und bei dem Erfolg seines
Buches...«
»Er trinkt mehr, als er schreibt«, sagte Walter. »Ich könnte mir
vorstellen, daß wir die Briefe kaufen können.«
Sie trank ihr Glas Wein leer und stellte es auf den Tisch.
»Ich habe das Geld nicht«, sagte sie.
»Ihre Familie...«
»... hat Grundeigentum, kein Geld«, sagte sie. »Das ist ein
Unterschied. Meine Familie hat sogar sehr wenig Geld. Als Spieler ist mein
Vater nicht so talentiert wie als Trinker.«
»Die Party gestern abend hat ein hübsches Sümmchen gekostet«, wandte
Walter ein.
»Geld zieht Geld an.«
Sie hielt den Ringfinger hoch.
»Ich bin vielleicht das lukrativste Stück Eigentum meines Vaters«,
sagte sie. »Ah.«
Pere Keneally ist pleite und braucht frisches Geld. Joe Keneally
möchte Präsident werden und braucht eine passende First Lady. Und künftige
First Ladys haben keine Affären in ihrer Vergangenheit gehabt, schon gar keine
wohldokumentierten Affären mit berühmten Beatnik-Schriftstellern. Die
leidenschaftlichen Ergüsse der armen Madeleine könnten den Deal durchkreuzen.
Sie fügte hinzu: »Ich liebe Joe wirklich.«
»Natürlich.«
»Können Sie mir helfen?«
»Wie kommen Sie darauf, daß ich es könnte?«
»Sie sind
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