Manhattan Blues
Bis man keine weitere Verwendung für ihn hat, natürlich.
Folglich sagte Walter: »Ich kann Hilfe beschaffen.«
McGuire stopfte die Dexedrin-Tabletten in den Mund und spülte sie mit
Bier herunter.
»Ich könnte einen Schutzengel gebrauchen«, sagte er. »Die Engel, die
ich kenne, sind alle hoffnungslose Poeten, kaputte Musiker und buddhistische
Heilige mit einem knurrenden Magen und einem Affen auf dem Rücken.«
Walter lächelte wohlwollend. Diese Ansprache hätte direkt aus dem
Lehrbuch kommen können. Doch das war gut so: Erst muß man die Zielperson dazu
bringen, daß sie einem ihren besten Partytrick vorführt und versucht, einem zu
gefallen. Dann belohnt man sie.
»Haben Sie schon gegessen?« fragte Walter.
»Mann, ich habe nicht mal gefrühstückt«, erwiderte McGuire. »Vom
Dexedrin und dem Bier mal abgesehen.«
Der Bär tanzt immer noch, bemerkte Walter.
»Gibt es ein Lokal hier in der Nähe?« fragte Walter, der jedes Lokal
im Village wie seine Westentasche kannte und sogar wußte, was auf den
Fensterscheiben eingraviert war.
»Da haben wir Harry's Bar, aber ich glaube nicht, daß das Ihre Art von
Lokal ist.«
»Aber Ihre Art von Lokal?« fragte Walter zurück und spielte die Rolle
des Pilgers. Harry's war ein schmieriger Schuppen, pittoresk, wenn man so etwas
mochte, der klassische billige Schick des Village.
»Martinos Jungs haben mir jeden Penny genommen, den ich hatte«, sagte
McGuire.
Walter antwortete: »Bitte, es wäre mir ein Vergnügen.«
Er öffnete den Kühlschrank, fand etwas Eis, zerstieß ein paar
Eiswürfel in einem Geschirrtuch und hielt McGuire den provisorischen Eisbeutel
an das geschwollene Auge. Er hatte sein Buch gelesen und wußte, daß der Mann an
Engel glaubte. Schließlich muß man vor allem die Rolle spielen, die von einem
erwartet wird, dachte Walter.
Harry's Bar in Venedig, dachte Walter, dort gibt es auch ein Harry's.
Er konnte die Hühnersuppe fast schmecken, die Hemingway so mochte und mit einer
halben Flasche Rotwein und einem Espresso hinunterspülte. Aber dieser Laden im
Village, so sehr Walter diese Kneipen liebte, hatte die aggressiv gehemmte
Atmosphäre der Unterschicht. Vom dem lausigen Essen ganz zu schweigen.
McGuire brachte es immerhin herunter, einen Teller mit Rührei und
Zwiebeln sowie grünem Pfeffer und zwei dicke Scheiben Roggentoast. Während der
kurzen Mahlzeit lutschte er noch drei Zigaretten in sich hinein und ebenso
viele Tassen Kaffee, und er machte dabei gerade genug Konversation, um die
Einladung zu rechtfertigen.
Das traurigerweise vorhersagbare Verhalten bedürftiger Schreiberlinge,
seufzte Walter. Aber wie Schauspieler werden sie für ihr Abendessen immer
singen. Es ist das einzige, was sie können.
Dennoch, sie hatten etwas zu besprechen, und so unterbrach ihn Walter
und sagte: »Die Giants liegen für das Spiel am Sonntag bei den Wetten mit
dreieinhalb Punkten hinten.«
»Sie können nicht verlieren«, entgegnete McGuire. »Nicht bei der
Abwehr. Teufel, sie haben den Browns letzte Woche die Meisterschaft versaut.«
Walter hob die Augenbrauen, um seinem Gegenüber zu signalisieren:
Behalte deine Schlußfolgerungen für dich, was McGuire dann auch tat.
»Paulie hat mich überall unmöglich gemacht«, sagte McGuire. »Ich
bringe keine Wette mehr unter.«
»Aber ich kann das.«
Der wahre Spieler hat einen bestimmten Gesichtsausdruck, ein Glitzern,
eine Reflexion des glänzenden Sterns, der »sichere Sache« heißt. Bei dem
professionellen Spieler sieht man ihn nie; der starrt nur kalt wie ein
entschlossener Mathematiker. Der wirkliche Spieler
jedoch glaubt an das Schicksal, sein Schicksal, und wenn er seinen guten Stern
sieht... nun, dann leuchten seine Augen. So wie die von Sean McGuire in dem
sanften Neonlicht dieses Lokals an diesem Weihnachtsabend.
»Ich kann eine Wette unterbringen«, wiederholte
Walter. »Ich habe keinen Kredit«, sagte McGuire. »Aber ich.«
»Das würden Sie für mich tun?« fragte Sean.
Das tue ich für dich, ich tue es dir an, was auch
immer.
»Es wäre mir ein Vergnügen«, sagte Walter.
»Dann lassen Sie uns die Wette gleich
unterbringen.«
»Nein«, sagte Walter, »wir werden abwarten, ob sich die Quote ändert.
Vielleicht können wir noch ein oder zwei Punkte zusätzlich bekommen.«
McGuire sah besorgt aus. »Es könnte aber auch andersherum laufen.«
»Was auch eine wertvolle Information wäre«, bemerkte Walter.
Menschen, die im ersten nur möglichen Augenblick
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