Manhattan Fever: Ein Leonid-McGill-Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
sagt, ich soll Ihnen vertrauen. Das Problem ist, dass ich ihn auch nicht kenne, aber ich muss, ich muss mit jemandem reden.«
Es war ein Anfang.
Ich setzte mich wieder.
»Was kann ich tun, um Ihren Argwohn zu zerstreuen?«, fragte ich.
»Glauben Sie, dass ich etwas mit dem Raub bei Rutgers zu tun hatte?«
»Nein.«
»Was ist mit Lewis?«
»Was soll mit ihm sein?«
»Ist er hinter dem Geld her?«
»Das kann ich nicht mit Sicherheit sagen, aber ich könnte mir vorstellen, dass jemand, der davon wusste, dass man Ihnen die Sache nur in die Schuhe geschoben hat, einen Sinneswandel durchgemacht hat und ihn dafür bezahlt hat, sie rauszuholen.«
»Wer?«
»Ich habe keine Ahnung«, hauchte ich.
Zella glaubte mir nicht, aber was sollte sie tun? Sie starrte gut zehn Sekunden lang vor sich hin und sagte dann: »Ist auch egal. Es ist egal, was Sie oder er denken. Es ist egal, weil ich nichts über irgendwelches Geld weiß.«
»Wollten Sie mich deshalb treffen? Um mir das zu sagen?«
Misstrauen und Zweifel sind die ersten Lektionen, die man hinter Gittern lernt. Ein Lächeln und freundlicheWorte bedeuten gar nichts. Versprechen und sogar Liebe sind weniger substanziell als Klopapier. Zella brachte es nicht über sich, sich mir anzuvertrauen, obwohl sie deswegen in den unterirdischen Club gekommen war.
»Hey, Leonid«, sagte ein Mann.
»Leviticus«, begrüßte ich ihn.
Er war etwa 1,55 Meter groß mit den Schultern eines sehr viel größeren Mannes. Sein kahler Schädel war eine blasse Kuppel über einer brettartigen Stirn und tief liegenden dunklen Augen. Seine Gesichtszüge signalisierten Wut, aber ich hatte noch nie gesehen, dass der Barbesitzer die Beherrschung verlor.
»Ich hab dich seit Jahren nicht gesehen«, sagte er, sah mich an, registrierte jedoch auch Zella.
»Es ist eine große Stadt, und ich habe Verpflichtungen in jedem Bezirk.«
Bowles hatte einen teuren mitternachtsblauen Seidenanzug an. Er sah aus wie ein Metzger, der die Klamotten trug, die seine junge Geliebte für ihn gekauft hatte. Er zog eine Packung Zigaretten aus der Brusttasche und bot Zella eine an. Sie griff gierig nach der filterlosen Camel. Er hielt mir die Packung hin, doch ich schüttelte den Kopf. Bowles nahm selbst eine Zigarette und gab sich und meiner widerwilligen Klientin Feuer. Er atmete tief und dankbar ein.
»Du bist doch nicht hier, um Ärger zu machen, oder, LT ?«, fragte er, bevor er die Rauchwolke wieder ausblies.
»Nein, Sir.«
Er lächelte und nickte Zella zu. Dann entfernte er sich wieder, da er seine Botschaft übermittelt hatte.
»Ärger?«, fragte sie.
»Ich bin als ein ziemlich wilder Bursche bekannt«, sagte ich. »Leute wie Leviticus möchten den Flurschaden möglichst gering halten.«
»Und warum hat er Sie dann überhaupt reingelassen?«
»Der Ärger, den ich mache, lässt sich nicht mithilfe verschlossener Türen aussperren.«
»Bedeuten Sie auch Ärger für mich?«
»Kommt darauf an, was Sie fragen wollen.«
11
Dean Martin sang »Amore«, und von einem Tisch mit jungen schwarzen Nachwuchsgangstern drang Gelächter. Zella hatte ihre Zigarette halb geraucht und trank ihren zweiten Whiskey. Wir waren noch nicht bei den relevanten Dingen angekommen, aber wir hatten ein paar Hürden genommen.
Ich versuchte nicht, ihr Freund zu sein. Es reichte, den Eindruck zu erwecken, dass ich kein Feind war. Dabei halfen auch die Zigarette und der Whiskey. Und die Tatsache, dass ich bereit war, einfach zu gehen, was bedeutete, dass ich eigene Empfindlichkeiten hatte. All das zusammen reichte, damit Zella sich beinahe sicher und wohl genug fühlte, um zu reden.
»Haben Sie Hunger?«, fragte ich.
»Immer. Sie wissen, dass ich seit fast zehn Jahren keine anständige Mahlzeit mehr gegessen habe.«
»Das Leviathan macht fantastische Steaks.«
»Wissen Sie, woran ich jeden Tag gedacht habe, seit man mich nach Bedford Hills geschickt hat?«
Ich schüttelte den Kopf und wünschte, ich könnte auch rauchen.
»An zwei Sachen«, sagte sie. »Das Wichtigste ist, dass ich es bedauere, mein Baby weggegeben zu haben. Ich habe sie abgeliefert und auf all meine Rechte verzichtet, weil ich dachte, ich würde im Gefängnis sitzen, bis sie erwachsen ist, und ich wollte nicht, dass sie ihre ganze Kindheit auf eine Mutter wartet, die nie kommt. Ichhabe mich geirrt, und jetzt möchte ich sie sehen, mehr als alles andere. Können Sie meine Tochter für mich finden, Mr. McGill?«
»Warum?«, fragte ich, ernst wie ein Richter
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