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Manhattan Fever: Ein Leonid-McGill-Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Manhattan Fever: Ein Leonid-McGill-Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Manhattan Fever: Ein Leonid-McGill-Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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blauenAnzug an, identisch mit dem, den ich tagsüber getragen hatte, und sah nach Katrina, um mich zu vergewissern, dass sie noch auf dem Bauch lag. Danach hüpfte ich die zehn Treppen bis zur Straße hinunter und fühlte mich wie ein Kind, das unverhofft hitzefrei bekommen hatte.
    Das Leviathan war eine der geheimsten Nachtbars in Manhattan. Es erstreckte sich über drei unterirdische Stockwerke und war Mitte der Fünfziger angeblich ein Schutzbunker der Mafia gewesen. Der Barkeeper und Besitzer hieß Leviticus Bowles, auch wenn seine Mutter ihn auf den Namen Eugene getauft hatte.
    Leviticus war ein wiedergeborener Christ und Ex-Knacki, der die Besitzurkunde und die Schlüssel von Jimmy Teppi, seinem Zellengenossen in Attica, bekommen hatte, bevor das Gefängnis weltberühmt wurde. Der Legende nach hatte der junge Leviticus Jimmy in harten Zeiten ein paar Mal den Rücken frei gehalten, wofür sich der Gangster als dankbar erwiesen hatte.
    Jimmy starb kurz nach dem Aufstand. Mr. Bowles sah darin ein Zeichen, ein Leben zu führen, das ihn von Schließern und Gefängnishöfen, ranzigem Atem und ungezügelter Männlichkeit fernhalten würde.
    Das Leviathan lag unter einem Spezialgeschäft für die Inneneinrichtung chinesischer Restaurants, darüber befanden sich Wohnungen. Es gab eine verschlossene Tür mit Klingelknöpfen für die Bewohner. Neben einen war der Name L. Bowles gekritzelt. Ich drückte auf den Knopf, und kurz darauf fragte eine Stimme: »Ja?«
    »Jimmy T«, sagte ich laut und deutlich.
    Die Tür sprang mit einem Klick auf, und ich ging durch einen schmalen Flur vorbei an der Treppe in die oberen Stockwerke bis zu einer weiteren Tür mit einem elektronischen Auge darüber. Ich blickte zu der Kameralinse auf, und die Tür öffnete sich. Nach drei Schritten stand ich am obersten Absatz einer Wendeltreppe, die sich einhundertzweiundsiebzig Stufen in die Dunkelheit hinabwand, feucht und unheilvoll. Man wusste, dass man die Welt städtischer Lizenzen und staatlich durchgesetzter Regeln verließ.
    Im Vestibül am Fuß der Treppe gab es eine hellgrüne Tür, die sich sofort öffnete. Sinatra und Zigarettenqualm, unbekümmertes Lachen und helles Licht schlugen mir entgegen.
    »Mr. McGill«, sagte Tyrell Moss zur Begrüßung.
    Tyrell war ein großer Mann illustrer Herkunft, Latino und Schwarzer, asiatisch und irgendeine Variante von weiß. Er war kräftig gebaut und ewig jung. Er war vielleicht vierzig, vielleicht älter, doch sein Lächeln war das eines Gottes der Jugend auf einer entlegenen Insel, auf der man bisher weder von Elektrizität noch von klinischer Depression gehört hatte.
    »Moss, Mann«, sagte ich.
    Hinter ihm erstreckte sich ein großer Raum mit mindestens acht Meter hoher Decke, in dem blassgelbe Tische verteilt waren, an denen insgesamt ungefähr achtzig Gäste saßen. Im Leviathan konnte man Zigaretten und Zigarren rauchen und Absinth trinken, angeblich gab es in einem Hinterzimmer sogar eine Opiumhöhle. Es war, als ob man eine Vergangenheit betrat, die es so nie gegeben hatte.
    »Ich habe sie an einen Tisch an der Wand gesetzt«, sagte Tyrell. »Sie haben Sie doch eingeladen, oder?«
    »Zella?«
    »Genau die.«
    Als ich durch die atemberaubende Weite des Leviathan schritt, sah ich viele bekannte Persönlichkeiten. Politiker waren keine da, aber ihre Mittelsmänner, die zum Entspannen hierherkamen. Ich erkannte ein oder zwei Pop-Stars und ein halbes Dutzend Schurken, mit denen ich früher Geschäfte gemacht hatte.
    Zella trug immer noch denselben Trainingsanzug, also nahm ich an, dass sie meinen blauen Zwirn nicht noch einmal beleidigen würde. Sie trank eine bernsteinfarbene Flüssigkeit aus einem Schnapsglas, was ihr nach acht Jahren bei abgestandenem Wasser hinter verschlossenen Türen ein großer Trost sein musste.
    »Hey«, sagte ich und zog einen Stuhl an den halbmondförmigen Tisch.
    »Was soll das heißen?«, erwiderte sie.
    »Es soll heißen, dass Sie nicht mehr im Gefängnis sind, Miss Grisham, die Leute benutzen keine Codes oder besonderen Begrüßungen. Es bedeutet Hallo.«
    »Und warum sagen Sie dann nicht Hallo?«
    Ich stand wieder auf.
    »Die Drinks gehen auf mich, Lady. Sie sind herzlich eingeladen. Aber rufen Sie mich nicht wieder an.« Ich war bereit zu gehen. Es hatte keinen Zweck, Zeit auf jemanden zu verschwenden, der nicht wusste, wie man sich auf oder unter der Straße benahm.
    »Warten Sie«, sagte sie.
    »Was?«
    »Ich kenne Sie nicht, Mr. McGill, aber Breland Lewis

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