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Manhattan Fever: Ein Leonid-McGill-Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Manhattan Fever: Ein Leonid-McGill-Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Manhattan Fever: Ein Leonid-McGill-Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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irgendeinem Grund machte mich das Geräusch ihres Schnarchens nervös. Kurz nachdem die Kinder gegangen waren, ging ich ins Esszimmer und schloss die Tür. Dann nahm ich ein Whiskeyglas aus Kristall aus dem Schrank und goss mir einen Drink aus der Karaffe ein.
    Das Schnarchen war gedämpft, aber nicht verstummt. Es klang wie das Flüstern eines Sturms jenseits von dicken Steinmauern. Der Cognac half auch nicht. Anstatt mir Wohlgefühl zu bereiten, verstärkte er meine Neigung, immer wieder über Tatsachen zu grübeln, von denen ich wusste, dass ich sie nicht ändern konnte.
    Breland Lewis hatte eine Menge Gefälligkeiten einfordern müssen, um eine Wiederaufnahme von Zellas Fall zu erreichen. Er hatte all sein Talent und seine Gerissenheit benutzt, um die Strafgefangene zu überreden, sich von ihm vertreten zu lassen. Dann musste er neue Beweise vorlegen, die den Anschein erwecken mussten, aus einer vorhergehenden Untersuchung hervorgegangen zu sein und nicht aus dem, was er tatsächlich über diesen Fall wusste.
    Ich hatte die Banderolen durch Fälschungen und das Blut, das man mir seinerzeit präsentiert hatte, durch das eines Spenders aus der Lower East Side ersetzt. Er hieß Rainbow Bill, und für zehn Dollar und eine Flasche Wein bekam ich sechs gute Tropfen. Das aufgebrochene Schloss zu ihrem Lagerabteil ließ sich mit dem Schlüssel, den man Zella abgenommen hatte, nicht öffnen. Jeder, der bereit gewesen wäre, ein wenig genauer hinzusehen, hätte erkennen müssen, dass sie hereingelegt worden war.
    All diese komplizierten Vorkehrungen hatte ich getroffen, weil Gertie mir den Job vermittelt hatte und ich mir Sorgen machte, dass Stumpy Brown sie irgendwann in Schwierigkeiten bringen könnte. Meine gesammelten Präparationen vor einem wohlwollenden Richter darzulegen, kostete Geld – eine Menge Geld.
    Während ich über Zella nachdachte und dabei Katrinas entferntem Schnaufen lauschte, fiel mir ein, wann zum letzten Mal schweres Atmen an mein Ohr gedrungen war.
    Es war in einer Wohnung in Queens gewesen, in der Nähe von LeFrak City. Ich betrat das Gebäude an einem Donnerstagmorgen um 3.17 Uhr durch einen Seiteneingang und schlich unbemerkt die Treppe hoch. Die Tür zum Apartment 3G stand offen.
    Als ich in die Wohnung kam, hörte ich ihren abgerissenen Atem. Ich machte das Licht an und sah die junge Frau nackt in der Ecke hocken. Zwischen ihren Schenkeln lag eine Spritze mit einem roten Gummiballon am Ende. Sie schwankte hin und her, murmelte vor sich hin und atmete wie ein griechisch-römischer Freistilringer.
    Auf einem verschmutzten weißen Laken in der Mitte des Zimmers lag die Leiche eines weißen Mannes mit gut fünfundzwanzig Pfund Übergewicht. Ich erkannte, dass er tot war, an der Dauerfalte an seiner linken Schläfe; daran und an dem weißen Keramikkästchen, das neben ihm lag und mit seinem Blut befleckt war. Er lag auf dem Rücken. Sein einziges Kleidungsstück war ein dunkelgrünes Kondom.
    Das Mädchen war zimtfarben, so wie das Amerika der Ureinwohner, nachdem es von Europa vergewaltigt worden war. Ich kniete mich neben sie, und sie blickte plötzlich auf.
    »Velvet?«, fragte ich.
    Ihre Angst schlug in benommene Neugier um.
    »Hat er dich angegriffen?«
    »Mein Hals«, flüsterte sie.
    Sie hob den Kopf, und ich sah die bläulichen Blutergüsse, die von Fingern stammten.
    »Und du hast mit dem Kästchen nach ihm geschlagen?«, fragte ich.
    Sie guckte zu der Leiche und nickte. Das brachte sie aus dem Gleichgewicht. Ich ging halb in den Lotussitz und ließ sie in meinen Schoß fallen. Sie legte die Arme um meinen Hals, wie Katrina es in unseren raren intimen Momenten gerne tat. Und im nächsten Augenblick war Velvet eingeschlafen. Ich fragte mich, ob sie auch sterben würde. Das hätte alles viel leichter gemacht.
    Ich musste nicht mit Velvet Reyes reden. Man hatte mich über ihre Situation informiert – mehr oder weniger.
    »Leonid?«, hatte Breland Lewis eine gute Stunde zuvor am Telefon gefragt.
    »Ziemlich spät für dich, Bre?«, erwiderte ich leichthin, weil ich wusste, dass das Gewicht früh genug runterkommen würde.
    Er erklärte, dass einer seiner wohlhabenden Mandanten ein bei der Familie lebendes Hausmädchen hatte, deren Tochter ein Drogenproblem hatte. Diese junge Frau, Velvet, hatte eine Weile zuvor ihre Mutter angerufen – hysterisch. Sie erzählte etwas von einem Mann, der sie in seine Wohnung eingeladen und dann versucht hatte, sie zu töten. Sie hatte ihn abgewehrt, aber

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