Manhattan Fever: Ein Leonid-McGill-Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
AB aus, verfassen Sie einen Bericht über die Tatumstände und dann beantworten Sie einen Schwall mündlicher Fragen, und alles wird aufgezeichnet, damit man eines Tages zurückkommen und Ihnen irgendwas anhängen kann.«
»Ich meine«, sagte Johann, »was haben Sie über die Killer gesagt? Wer waren sie?«
»Europäer. Wahrscheinlich Osteuropäer. Männer die sechstausend Meilen oder mehr gereist sind, nur um mich sterben zu sehen.«
Brighton war schwer zu durchschauen. Zu seinem luftigen Ausguck hatte er es nicht mit dem Herzen auf der Zunge gebracht.
»Vielleicht ist Ihr dramatisches Flair ja begründet«, meinte er.
»Scheiß drauf. Ich bin hier, um Sie zu fragen, warum.«
»Was sollte Rutgers Assurance mit zwei Killern zu tun haben?«
»Nicht Rutgers«, sagte ich. »Sie.«
»Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht folgen, Mr. McGill.«
»Oh? Haben Sie nicht eben gesagt, dass mein Name dauernd auf Ihrem Schreibtisch auftaucht?«
»Ja, aber …«
»Und hat mein Name auf Ihrer Schreibtischunterlage etwas mit Zella Grisham, Antoinette Lowry und achtundfünfzig Millionen Dollar zu tun, die bei dem größten Raub in der Geschichte der Wall Street abhandengekommen sind?«
»Was hat irgendwas davon damit zu tun, dass jemand versucht hat, Sie umzubringen?«
»Sie wissen es nicht?«
Er schüttelte den Kopf und hielt meinem Blick stand wie ein Gegner vor der ersten Runde eines Kampfes, den er seiner Ansicht nach garantiert gewinnen wird.
»Zella Grisham«, begann ich, »wurde verhaftet, weil sie auf ihren Freund geschossen hat.«
»Wenn Sie das sagen.«
»Das tue ich, und so war es. Dieser Freund, Harry Tangelo, war im Bett mit Zellas bester Freundin Minnie Lesser.« Ich machte eine Pause, um zu sehen, ob sich in der Fassade des Vizepräsidenten Risse zeigten, und auch weil das Summen meiner Wut vom Zwerchfell weiter Richtung Herz wanderte. Ich glaube, ich hatte noch nie so dicht vor einem Gewaltausbruch gestanden, ohne dass es auch tatsächlich zum körperlichen Angriff gekommen war.
»Ich weiß nichts über Grishams Verhaftung, bis zu dem Punkt, als das Geld in ihrem Besitz gefunden wurde«, sagte er.
Wenn er die Wut in mir erkannt hatte, reagierte er nicht darauf. Vielleicht fühlte er sich körperlich überlegen. Vielleicht hatte er einen schwarzen Gürtel in irgendeiner fernöstlichen Verteidigungskunst. Was auch immer, er irrte sich.
Ich atmete tief ein und hielt die Luft drei Mal so lange an wie üblich. Beim Ausatmen ließ ich die Frage einfließen: »Wie lange arbeitet Ihre Sekretärin schon für Sie?«
»Was hat das mit alldem zu tun?«
»Arbeitete sie zum Zeitpunkt des Raubüberfalls auch schon in diesem Büro?«
»Ich erinnere mich nicht.« Wenn er nervös war, ließ er es sich ganz bestimmt nicht anmerken.
»Vielleicht weiß sie mehr über Sie, als Sie denken.«
Für den Moment waren dem attraktiven Millionär die Worte ausgegangen. Sein linkes Auge fiel beinahe ganz zu, und ich durfte einen kurzen Blick auf den Menschen hinter der Managerfassade werfen. Dieser kurze Anfall von Sprachlosigkeit war das erste Anzeichen dafür, dass meine Lage noch komplizierter war, als ich gedacht hatte.
Er hob verwirrt die Hand. »Kann ich sonst noch etwas für Sie tun, Mr. McGill?«
»Wer immer diese Männer in mein Haus geschickt hat, wird dafür bezahlen«, sagte ich. »Ich trage vielleicht nicht dieselbe Art von Anzug wie Sie, aber alle Menschen bluten und alle Menschen sterben.«
Brighton erhob sich, und ich tat es ihm nach.
»Mr. McGill, Sie müssen mir glauben, wenn ich Ihnen sage, dass weder ich noch sonst irgendjemand bei Rutgers einen bezahlten Auftragsmord in Betracht ziehen würde, um unsere Probleme zu lösen.«
Ich durfte den Weg durch den breiten Flur bis zum Fahrstuhl alleine finden. Die Tür stand offen. Ich musste nur eintreten und wurde in den sechsundzwanzigsten Stock transportiert. Von dort machte ich mich auf den Weg zum Rand des gläsernen Käfigs.
Die Empfangssekretärin ließ die Scheibe hochfahren, und ich fand mich in Gesellschaft eines mittelgroßen dunkelhäutigen Weißen mittleren Alters wieder, der einen braunen Anzug mit hellroten Nadelstreifen trug.
»Mr. McGill?«, fragte der Mann. Sein Gesicht war ein verkniffenes gleichschenkeliges Dreieck, das auf seinem spitzen Kinn stand.
»Ja?«
»Mein Name ist Harlow.«
»Ja, Mr. Harlow?«
»Man wird Ihnen nicht noch einmal Zutritt zu diesem Gebäude gewähren.«
»Kommt das von Ihnen oder von Mr. Brighton?«
»Ich bin
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