Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman
glücklich mit meinem Scotch.
Doch dann verwickelte Hush mich unvermutet in einen Smalltalk. Er wusste, dass ich Box-Fan war, und fragte mich deshalb, wie ich die Chancen von Antonio Tarver gegen den Halbschwergewichtschampion Chad Dawson einschätzte.
»Tarver ist fast vierzig«, sagte ich, »er hat seinen Zenit überschritten. Dawson ist jung und schnell, aber von Natur aus ein Mittelgewichtler. Der Kampf ist völlig offen.«
Hush und ich mussten das Gespräch in Gang halten, um keinen Argwohn zu erregen. Ich gab mir alle Mühe, aber es fühlte sich unecht an, so als würde man versuchen, sich auf das Muster im Fell eines Leoparden zu konzentrieren, der von einem hohen Ast hungrig auf einen herabblickt.
Um kurz nach elf wurde ich von dieser Tortur erlöst,als LouBob Georgias hereinkam. Er trug einen grünen Anzug und einen schwarzen Hut mit gelber Feder. Er war sehr groß, so breit und hoch wie Willie Sanderson. Er hatte ein freundliches Gesicht und ein offenes Lächeln. Er scherzte mit dem Barkeeper und der Kellnerin, die uns bedient hatte.
»Willst du ihn dir draußen schnappen?«, fragte ich.
»Abwarten«, sagte Hush.
Ungefähr eine Viertelstunde später kam eine üppige Brünette herein. Sie war Ende zwanzig und hatte eine Figur, von der manche Männer und die meisten zwölfjährigen Jungen träumen. Das bisschen Kleid, das sie trug, schien aus buntem Konfetti gemacht, und ihre gebräunte Haut glänzte wie Rotgold.
LouBob griff um sie herum, hob sie hoch und gab ihr einen feuchten Kuss. Alle Augen in der Bar waren auf sie gerichtet. Sogar der Klavierspieler verpasste ein oder zwei Töne.
Unsere Unterhaltung endete abrupt mit dem Auftritt der Frau. Hush beobachtete die beiden wie eine Katze. Ich lehnte mich zurück und betrachtete meinen Freund in der Hoffnung, noch etwas Neues zu lernen.
LouBob und die Frau nahmen am Tresen Platz und bestellten.
Sie waren bei der dritten Runde Drinks, als Hush sagte: »Komm von der anderen Seite, wenn das Mädchen gegangen ist.«
Er stand auf und ging zur Bar.
Wieder hatte ich ein Bild ohne Ton. Hush trat von hinten an LouBob heran. Einen Moment lang fürchtete ich, er würde eine Pistole ziehen und den Typen mit einem Schuss hinters Ohr erledigen, eine irrationale Panik, die sich legte, als er dem großen Mann auf die Schulter tippte.
Die Angst wanderte von mir zu LouBob, als er Hush in seinem schwarzen Anzug und der schmalen grünen Krawatte hinter sich stehen sah. Mein Beinahe-Mörder erstarrte, und die Brünette wurde neugierig.
LouBob sagte etwas zu ihr, was sie wütend machte. Hush schien es gar nicht zu bemerken, und LouBob wandte sich ab. Kurz darauf stürmte die Frau aus dem Lokal. Hush warf ihr einen knappen Blick nach. Mir fiel auf, dass der Ex-Killer eine gewisse sadistische Freude dabei empfunden hatte, den großen Mann vor seiner Frau zu demütigen. Ich merkte mir dieses Detail und ging zum Tresen.
»Hey, Hush, LouBob«, sagte ich, als ich auf der anderen Seite neben meinem Möchtegern-Mörder stand.
Georgias starrte mich mit offenem Mund an, ohne etwas zu sagen.
»Das ist mein Freund Leonid McGill«, sagte Hush, und die Angst nistete sich tiefer in LouBobs Augen ein.
Der große Mann sah mich immer noch an, während er zu Hush sagte: »Ich wusste nicht, dass er ein Freund von dir ist, Mann.«
»Setz dich«, sagte Hush, und wir nahmen alle drei auf den gold-roten kunstledergepolsterten Barhockern Platz.
»Kann ich Ihnen etwas bringen?«, fragte der Barkeeper irgendwo rechts von mir. Er war vom anderen Ende des Tresens herübergekommen.
»Drei Black Russians«, sagte Hush zu ihm. Ich glaube, es war als eine Art Witz über meinen Namen gedacht.
Der Barkeeper, ein Weißer um die sechzig, der irgendwann in seinem Leben mal eine Zeitlang in der Sonne verbracht hatte, wich ein Stück zurück, als er Hushs tote Augen sah.
»Kommt sofort«, sagte er.
»Wie heißt Timothy Moore mit richtigem Namen?«, fragte ich LouBob.
»Soweit ich weiß, ist das sein richtiger Name.«
»Erzähl uns ein bisschen was über ihn«, sagte Hush.
»Er hat wegen einer Dummheit fünf Jahre in Attica gesessen und erledigt seitdem hin und wieder irgendwelche Aufträge für einen reichen Typen. Daneben hat er noch einen festen Job, in einem Büro, glaube ich.«
»Und wie heißt der reiche Mann?«, fragte ich.
»Weiß nicht. Das hat er nie gesagt. Wir haben uns kennengelernt, als sein Boss Ärger mit der Gewerkschaft hatte. Die Hotelangestellten wollten direkt vor einem
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