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Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman

Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman

Titel: Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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Kissen gestützt aufrecht und starrte mich an. Seine linke Hand war an das Bettgestell gefesselt. Ich kann mich erinnern,dass ich mich gefragt habe, ob eine so dünne Kette ausreichte, das Monster im Zaum zu halten.
    Die tiefe Wunde an seiner Stirn verheilte langsam wieder. Es war das erste Mal, dass ich einen genauen Blick auf das bekam, was ich das Gesicht der Persönlichkeit eines Menschen nenne.
    Es war die aufgeblähte Visage eines trotzigen Jungen, doch das konnte mich nicht täuschen; ich hatte die Kraft und Mordlust dieses Jungen am eigenen Leib erfahren.
    Doch statt Totschlag las ich in Willies Augen jetzt Misstrauen. Er hielt Ausschau nach dem gut dreißig Pfund schweren Stuhl auf seinem Kopf. Ich erkannte, dass ich genau wie in unserem Kampf nur eine Chance bekommen würde.
    »Die kriegen Sie wegen dem Mord an Roger Brown dran«, sagte ich, bevor ich mich auf den Metallstuhl neben seinem Bett setzte. Mir fiel auf, dass Kitteridge ihn außer Reichweite des Killers aufgestellt hatte. »Und von Norman Fell wissen sie auch.«
    Nur ein leichtes Zucken der Augen verriet mir, dass die Erwähnung des Detektivs aus Albany ihn überraschte.
    »Ich hab Bunny im Sanatorium besucht«, fügte ich hinzu.
    »Hat er sie wieder reingesteckt?«, fragte er.
    Ich muss irgendeine Reaktion gezeigt haben, Eifer oder sonst etwas, denn nachdem er diese wenigen Worte geäußert hatte, machte er völlig dicht, und nichts, was ich tat oder sagte, konnte ihn wieder zum Reden bringen.
    Ich erklärte ihm, dass er seine Strafe um ein halbesMal lebenslänglich verkürzen konnte, wenn er seine Auftraggeber preisgab, während das Gesetz andernfalls wahrscheinlich mit aller Strenge zuschlagen würde, zumal er bereits einen Mord begangen hatte und damit davongekommen war. Ich stieß ein Dutzend Drohungen aus und machte ebenso viele Vorschläge, doch er blieb stumm.
    Es bedarf keiner großen Intelligenz, um unbeugsam zu sein. Genau genommen ist die Verbindung von Dummheit und Schweigen vielleicht die wirksamste Waffe in der Geschichte unserer Gattung.
    »Was hat er gesagt?«, fragte Kitteridge, als ich zwanzig Minuten später aus Sandersons Krankenzimmer kam.
    »Kein verdammtes Wort.«
    »Und wie erklären Sie sich das, LT?«
    »Es muss etwas mit den beiden getöteten Männern zu tun haben«, sagte ich. »Thurman ist auf jeden Fall der Schlüssel.«
    Ich ließ die Worte in der Luft hängen, weil mir der Gedanke kam, dass die Polizei den Privatdetektiv und Analphabeten mittlerweile identifiziert haben müsste. Und wenn Kitteridge wusste, wer er war, dann wusste er auch, dass er tot war.
    »Ja«, sagte der Detective. »Haben Sie noch mehr über ihn?«
    »Er hat sich nicht gemeldet, falls Sie das meinen.«
    »Gibt es noch irgendwas, woran Sie sich in Bezug auf ihn erinnern?«
    »Nein.«
    »Nein«, ließ sich Kitteridge wie ein ominöses Echo vernehmen.
    »Dann sollte ich wohl besser mal los«, sagte ich.
    »Wohin?«
    »Ein Fall.«
    »Irgendein Zusammenhang?«
    »Das will ich wirklich nicht hoffen.«
    »Also gut«, sagte Kitteridge. »Wir sehen uns bald.«
    Darauf freute ich mich ebenfalls nicht.

45
    Es war ein schöner Tag, und ich hatte wenig Lust, in die beengte Atmosphäre von Hushs Auto zurückzukehren. Also ging ich in ein Deli in der 7 th Avenue und aß ein Pastrami-Sandwich auf Roggentoast mit rohen Zwiebeln und scharfem französischem Senf. Ich bestellte normalerweise keine Pommes frites, aber wenn sie inklusive waren, fühlte ich mich immer verpflichtet, sie zu essen.
    Um kurz vor vier kehrte ich zu dem Lincoln zurück. Ich klopfte an die getönte Scheibe der Limousine, und die Zentralverriegelung wurde mit einem Klicken geöffnet.
    Ich setzte mich auf die Rückbank, Hush gab mir den Laptop.
    »Ich musste ihn am Zigarettenanzünder aufladen«, sagte er. »Jetzt sollte er ein paar Stunden laufen.«
    Und so saßen wir da, der halb-geläuterte Killer und ich.
    »In Manhattan und den meisten anderen Bezirken von New York kostet es achtzehntausend Dollar, eine Leiche verschwinden zu lassen«, sagte Hush gut eine Stunde später. »In manchen Gegenden von New Jersey auch. In Staten Island gibt es Rabatt. Wenn man in Staten Island jemanden umlegt, sind es nur fünfzehntausend. Ein Typ namens Digger kann in maximal zwei Stunden an jedem Ort in der Stadt sein«
    »Warum erzählst du mir das?«, fragte ich.
    »Ich dachte, du wolltest es vielleicht wissen«, antwortete er leidenschaftslos. »Du musst ernsthaft Probleme haben, wenn du mich anrufst.

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