Manhattan
Kindes.
»Olszewski, Nomellini, Gonzaga, McCord …«
Was ist mit Donner, Dancer, Prantzer, Blitzen, dachte Walter. Doch er wollte sich nicht über den Mann lustig machen; das Gedicht fing an, ihm zu gefallen.
»Modzelewski, Blanda, Unitas, Rote,
Fremde Namen fallen auf Amerikanischen Boden
Und werden im Fallen Amerikanisch
Amerikanischer Herbst.«
McGuire hob seinen Becher zu Dantzler, der den Wink aufgriff und ein klagendes Solo intonierte.
»Es gefällt mir«, flüsterte Anne, »aber ich habe nicht die leiseste Ahnung, worum es geht.«
»Football«, erwiderte Walter.
»Sean McGuire schreibt über Football?!«, fragte Anne.
Ich würde gern wissen, ob ich außer McGuire der einzige hier bin, der weiß, dass er für Columbia Halfback spielte, bis er sich das Bein brach, dachte Walter.
»Ich habe die Hengste im Stadion galoppieren sehen,
Gekrümmte Daumen runter für sie und mich,
Rennen, aber nicht weit genug,
Die Linie überschritten, um zu siegen, aber doch nicht genug, um zu siegen,
Das Pferd, das ich reite, doch mein Pferd erreicht die Linie nicht,
Und wir stürzen beide.
Amerikanischer Herbst.«
Das Publikum folgt ihm nicht, dachte Walter. Die Leute verstehen die Bilder nicht. McGuire machte eine Pause und starrte auf das Blatt, als versuchte er die Wörter zu erkennen. Er sieht erschöpft aus, weder betrunken noch ganz nüchtern, aber …
Nun ja, geschlagen, dachte Walter. Das ist das richtige Wort dafür.
»Doch ich liebe es immer noch zu sehen, wie die Pferde die kühle Herbstluft schnauben«, rezitierte McGuire.
»Die Rösser zerstampfen die Erde und greifen an
Hin und her, quer über das geneigte Feld,
Ich stürme mit ihnen,
Ich stampfe und schnaube und renne,
Doch man rennt nie weit genug,
Man kann nie weglaufen
Im Amerikanischen Herbst.«
McGuire ließ den Kopf sinken und blickte während des etwas verwirrten Beifalls zu Boden. Er beugte sich so weit vor, dass es aussah, als würde er vornüberfallen und zusammenbrechen. Dann stellte er den Becher auf den Boden des Podiums, richtete sich auf und ging nach hinten ab.
Und Walter hatte eine Vorstellung davon bekommen, was Madeleine Keneally vielleicht Angst machte.
Der beißende Geruch von Marihuana brannte Walter in der Nase, als Anne ihm die Zigarette hinhielt.
»Puh«, krächzte sie und behielt den Rauch in den Lungen.
Er schüttelte den Kopf. »Nein, danke.«
Sie waren wieder in ihrer Wohnung am Washington Square East. Ihre Wohnung war klein. Leute, die zum ersten Mal dort waren, bezeichneten sie unfehlbar als »gemütlich«. An drei ihrer vier Wohnzimmerwände reichten Bücherregale aus massiver Eiche vom Fußboden bis zur Decke. Die vierte Wand hatte französische Fenster, die zu einem Balkon mit Blick auf den Triumphbogen im Washington Square Park führten.
Vom Wohnzimmer führte ein schmaler Flur in die kleine Küche. Vom Flur gingen ein Badezimmer und zwei Schlafzim
mer ab. Eins der Schlafzimmer hatte Anne in ein Studio verwandelt, in dem ihr Klavier stand, eine Hi-Fi-Anlage, ihre Schallplatten sowie ganze Stapel von Noten. Ihr Bett hatte vier Bettpfosten, an denen einige ihrer zahlreichen Hüte hingen. An den matt-weißen Wänden hingen einige impressionistische Drucke – Anne hatte eine Vorliebe für William Merritt Chase. Dicke blaue Vorhänge hielten das Sonnenlicht draußen, damit sie bis in den Nachmittag schlafen konnte, wenn sie in Clubs arbeitete, aber keine Plattenaufnahmen machte.
Doch jetzt saßen sie im Wohnzimmer und waren bemüht, sich in einen anständigen Streit hineinzusteigern.
In Wahrheit hatte er schon auf der Party im Good Night begonnen, wo Anne nach ihren Auftritten oft sang, um an »den Jungs und den Mädchen« ihr eher avantgardistisches Repertoire auszuprobieren.
»Was?«, hatte Walter gefragt, als sie den Ausdruck zum ersten Mal benutzte.
»Hör mal«, hatte sie gesagt. »An den Jungs und den Mädchen. An den Jungs, die mit Jungs gehen, und den Mädchen, die mit Mädchen gehen.«
»Ah.«
»Ah«, hatte sie gespottet und die Tatsache genossen, dass es ihm die Sprache verschlagen zu haben schien.
Das Good Night war ein zweistöckiger Klinkerbau an der West 4th Street, und Walter kannte es seit der Zeit, als es noch eine der wenigen Flüsterkneipen namens The Peppermill gewesen war. Im Erdgeschoss befand sich eine gewöhnliche Bar mit einer kleinen Bühne – in Wahrheit eher ein Podium –, gerade groß genug für ein Klavier und eine Sängerin. Das
Weitere Kostenlose Bücher