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Manhattan

Manhattan

Titel: Manhattan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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auf die Bühne gekommen war, um zu beweisen, dass er nicht singen konnte. An diesem Abend im Good Night tat er das gleiche und lieferte das »Schu-bi-du-bi-du« nach jedem Refrain.
    Die Truppe im Good Night jubelte, als sie den Anfang sang:
    » Why don't you come and join the group?
    It's better than being a party poop. «
    worauf Walter einfiel:
    » Schu-bi-du-bi-du-ba
    Schu-bi-du-bi-du. «
    Dabei setzte er einen Gesichtsausdruck à la Stan Laurel auf und schlug leise und falsch mit dem Fuß den Takt dazu.
    Die Leute waren völlig bezaubert, als Anne trällerte:
    » Say you love me, really love me, say you love me true «,
    worauf Walter mit einem total falschen, aber von Herzen kommenden
    » I love you «
    einfiel.
    Obwohl Anne alles andere als bezaubernd war, wie Walter wusste. Er spürte, wie ihre Augen hinter der Fassade der Entertainerin wie Dolche auf ihn gerichtet waren, selbst als die Nummer beendet war und sie sich errötend verbeugte.
    Und als er draußen auf der Straße die Arme in den Nachthimmel reckte und losschrie: »Himmel, wie ich diese Stadt liebe!«, und sie nichts dazu sagte, wusste er, dass ihr schon eine Rache einfallen würde für das, was er ihr angetan hatte, was immer es sein mochte.
    Er brauchte nicht lange zu warten. In der Sekunde, in der sie die Mäntel ausgezogen hatten, hatte sie den Joint aus ihrer Handtasche genommen, angezündet und sich auf den Fußboden gesetzt.
    Er gab sich Mühe, sich nicht darüber zu ärgern, ärgerte sich aber doch.
    »Ist das eine neue Angewohnheit?«, fragte Walter und reckte das Kinn in Richtung Marihuana-Zigarette.
    Sie waren beide der Meinung, dass er lächerlich wirkte – wie eine entrüstete blaustrümpfige Sonntagsschullehrerin.
    »Es ist keine Angewohnheit«, sagte sie. »Versuch's doch mal.«
    »Woher hast du das Zeug?«
    »Alicia hat es mir gegeben.«
    »Alicia«, sagte er. »War es das, was du gerade getan hattest, als ich in den Club kam? Hast du draußen auf der Straße mit Alicia Pot geraucht?«
    Sie nahm noch einen tiefen Zug und sagte dann spöttisch: »Ja, Aleeesha. Ich weiß, was du denkst, Walter. Exotische, sexbesessene Schwarze mit Voodoo-Giftgebräu führen unschuldige weiße Mädchen ins …«
    »Das ist lächerlich.«
    »Schnüffler Withers«, krächzte sie und hielt den Rauch in den Lungen. »So solltest du heißen, ›Schnüffler‹ statt ›Walter‹.«
    »Und warum, wenn ich fragen darf?«, fragte er, obwohl er es wusste.
    »Weil du draußen stehst und zusiehst«, sagte sie. »Nein,
nicht draußen, drüber. Du stehst über allem in deiner moralischen Überlegenheit und verziehst höhnisch das Gesicht über uns arme Sterbliche, die all die Dinge tun, die du beobachtest.«
    In vino veritas , dachte er. Und in Marihuana?
    »Was, wenn ich fragen darf, habe ich nicht getan, um diese Attacke zu provozieren?«, fragte Walter.
    Sie schüttelte den Kopf. »Das ist es ja gerade, genau das. Du hast es gerade getan. Du verwendest Wörter und deinen hochnäsigen, herablassenden, überlegenen Intellekt, um Menschen auf Abstand zu halten, um dich zu distanzieren, damit du genug Platz hast, hinunterzublicken und zuzusehen.«
    »Ah, ich verstehe.«
    »Und grinst höhnisch«, fügte sie hinzu. »Du bist so verdammt spießig! Du verlässt diesen neureichen faschistischen Abschaum im Plaza und kommst dann hinunter, dorthin, wo ich lebe, und grinst höhnisch über meine Freunde.«
    »Ich bin nicht sicher, ob der Reichtum der Keneallys wirklich so neu ist«, sagte er, »und ich glaube auch nicht, dass sie etwas mit Mussolini oder Hitler zu schaffen hatten. Und außerdem habe ich nicht höhnisch gegrinst.«
    »Du grinst innerlich. Du bist nur verdammt nochmal zu höflich, es offen zu tun«, entgegnete Anne. »Dein Hohn verbirgt sich hinter noch größerer Höflichkeit, noch mehr Charme, noch mehr Witz, noch mehr Vollkommenheit. Der heilige Walter.«
    »Wäre heiliger Schnüffler nicht besser?«
    »Das ist sogar dein Job«, sagte sie. »Du schnüffelst hinter Leuten her. Das ist dein Job, Leute zu beobachten.«
    Er seufzte und sagte: »Ich bekenne mich schuldig, für meinen Lebensunterhalt zu arbeiten, ja.«
    »Hasst du deinen Job nicht?«
    »Er gefällt mir sogar.«
    »Leute zu beschnüffeln«, beharrte sie.
    »Genau das tue ich«, entgegnete er.
    »Mach mal Pause«, sagte sie und hielt ihm wieder die Marihuana-Zigarette hin. »Mach mit bei der Party.«
    »Sie brennt nicht«, sagte er.
    »Dann zünde sie an.«
    Er hatte sein Feuerzeug in der

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