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Manhattan

Manhattan

Titel: Manhattan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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mit ihrer Familie«, erwiderte Walter. Du wirst dir deine Unterhaltung also woanders suchen müssen.
    »Und wo leben sie?«, fragte seine Mutter.
    »Irgendwo weiter auf dem Land.«
    »Nun, wir würden sie gern mal bei uns begrüßen«, sagte Mrs. Withers mit gnädiger Unaufrichtigkeit. Mrs. Withers hatte nichts gegen Anne, ganz und gar nicht, doch sie brachte es einfach nicht über sich, ihren Sohn mit einer Nachtclubsängerin in Verbindung zu bringen. Obwohl er Privatdetektiv geworden war. Barbara Withers hatte die Rolle einer Ehefrau aus gutem Haus mit Anstand erfüllt. In diese Verantwortung war die Verpflichtung eingeschlossen, mit Anstand zu altern. Seit dem Tod ihres Mannes vor fünf Jahren und der zusätzlichen Bürde, die Familie zusammenzuhalten, hatte sie etwas von George Withers' gravitas angenommen, allerdings ohne sein aufbrausendes Temperament. An diesem Weihnachtsmorgen war ihr schneeweißes Haar perfekt frisiert, ihr graues Kleid saß anmutig, und die Perlenkette, die sie, wie nicht anders zu erwarten, trug, war deshalb nicht weniger elegant.
    Barbara Withers hatte mit ihrem Mann den Glauben geteilt,
dass Menschen das Recht haben, von anderen Menschen bestimmte Dinge zu erwarten, denn sonst sei ein Zusammenleben unmöglich, »dann könnten wir genauso gut wieder auf die Bäume klettern und uns gegenseitig mit Früchten bewerfen«.
    Sie wusste, was von einer guten Hausfrau in Connecticut erwartet wurde, und noch mehr von einer Witwe.
    »Eine Ehefrau«, hatte sie ihrer Familie einmal gesagt, »darf vielleicht mal bei der Weihnachtsfeier des Country Club flirten. Eine Witwe darf es nicht – es könnte ernst genommen werden.«
    Barbara Withers wusste also, dass eine Mutter ihrem dreiunddreißigjährigen Sohn zwar zu verstehen geben darf, dass er sich mit den falschen Frauen abgibt, doch sie darf es nie offen sagen oder ihn auch nur bitten, so etwas zu beenden. Diese Art direkte Einmischung mag vielleicht südlich der Mason-Dixon-Linie üblich sein, aber ganz gewiss nicht in einem Villenvorort von Greenwich. Außerdem hatte sie es vermieden, ihrem Sohn allzu viele Fragen zu stellen, seit George sie eines Tages beiseite genommen und ihr erzählt hatte, ihr Sohn sei in die Dienste der Regierung getreten, doch es sei am besten, Freunden einfach zu sagen, der junge Walter arbeite jetzt »in der Wirtschaft«.
    »Wie läuft's im Privatschnüfflergeschäft?«, fragte Roger, wieder mit einem schiefen Grinsen. Roger war an der High School der Stadt stellvertretender Schulleiter. Zusammen mit Elizabeths geerbtem Vermögen erlaubte ihm das ein angenehmes Leben. Er machte sich nie die Mühe, sein selbstgefälliges Amüsement über Walters Dasein als »Privatschnüffler« zu verbergen.
    Walter fühlte sich manchmal versucht, Roger darüber aufzuklären, dass dessen Lebensaufgabe darin bestand, mit sei
nem Sperma Elizabeths Lebensaufgabe zu ermöglichen: das Herausputzen ihrer drei Kinder zu Schaufensterpuppen. Die Kinder, Roger jr., Eleanor und Margaret, hatten begriffen, was von ihnen erwartet wurde, und benahmen sich fast wie Kunststoff-Kinder, obwohl sie amüsant und sogar bezaubernd sein konnten, wenn ihre Eltern ihnen erlaubten, Kinder zu sein.
    »Wie die Bezeichnung schon andeutet, ist es eine Privatangelegenheit«, antwortete Barbara an Walters Stelle. »Würdest du mir bitte die Kartoffeln rüberreichen, Roger?«
    Das war Neu-England-Jargon für: Wir sprechen nicht darüber, womit Walter seinen Lebensunterhalt verdient. Damals nicht, heute nicht, niemals. Das macht die Konversation bei Tisch vielleicht ein bisschen mühsamer, aber wer den Vermögens-Fonds der Familie genießen will, muss diese Kröte schlucken.
    Wir verstehen uns darauf, Geheimnisse zu wahren, dachte Walter über seine Familie. Das können wir gut. Wir haben nicht nur die Wertschätzung der Neu-Engländer für ein ungestörtes Privatleben, sondern auch die Erfahrung von zwei Generationen in geheimen Diensten, was naturgemäß auch ein Leben im Verborgenen bedeutet. Von den Leistungen seines Vaters im Zweiten Weltkrieg hatte er während seiner Ausbildung nur gerüchteweise gehört. Veteranen der Firma hatten nur Andeutungen darüber gemacht, wie Withers senior die spanische Währung manipuliert hatte, um sicherzustellen, dass dieses Land nicht auch nur im Traum daran dachte, plötzlich abzuspringen und seinen faschistischen Seelenverwandten gegen die Alliierten beizustehen.
    Als Walters Mutter sagte: »Es ist schön, dich über Weihnachten zu

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