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Manhattan

Manhattan

Titel: Manhattan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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Zelluloid-Paradies. Im hübschen Paris Theater – gleich um die Ecke beim Plaza – spielte Alec Guinness in The Horse ' s Mouth , Rosalind Russell war in der Radio City Music Hall Auntie Mame , während in dem kleinen, aber feinen Sutton Theater – in der 57. Straße querab der Third Avenue – Leslie Caron, Louis Jourdan, Maurice Chevalier und Hermione Gingold in Gigi zu sehen waren, den Walter inzwischen schon fünfmal gesehen hatte.
     
    In den Premierenkinos am Broadway konnte man für einen Dollar im Odeon etwa Jimmy Stewart und Kim Novak in Bell, Book and Candle sehen oder Leslie Caron und Dirk Bogarde in Aber Herr Doktor im Translux. Im Victoria konnte man Susan Hayward Ich will leben rufen hören, und im Astor waren Burt Lancaster, Deborah Kerr, Rita Hayworth und David Niven Getrennt von Tisch und Bett .
    Walter bekam einen schlimmen Anfall von Broadway. Die Straße hatte die Angewohnheit, ihn in Walter Mitty Withers zu verwandeln, und er hätte liebend gern seine ganze Karriere für eine kleine, aber stilvolle Rolle in einem großen Musical hergegeben. Das hätte ich auch, dachte er, als er das Trio zum Majestic Theater geleitete, wenn ich davon absehe, dass ich weder singen noch tanzen kann. Aber sonst …
    So muss ich mich eben damit begnügen, im Schatten von Cohan, Runyon und Brown herumzulaufen, mit Steaks bei Donovans, einem Whiskey bei Toots Shors und einem Martini bei Sardi's. Und wie bisher im Publikum zu sitzen – wie üblich allein, da Anne woanders ist und den Leuten in den Clubs Songs von Cole Porter vorträllert – und die Darsteller auf der Bühne ehrfürchtig anzustarren.
    Aber ich könnte regelmäßig ins Theater gehen, dachte er. Einer von diesen rätselhaften und bemitleidenswerten Typen werden, die mit einem Blumenstrauß in der Hand und einer Einladung zum Dinner oder einem Wochenende auf dem Land hinten am Bühneneingang warten. Ich könnte zum Schrecken aller langbeinigen Tanzmädchen New Yorks werden und mich dabei auch noch großartig amüsieren, einem Kerl, der bei Sardi's sitzt und auf die ersten Rezensionen wartet, der bei den Besetzungsproben hilfreiche Vorschläge macht und die Theaterdirektoren mit ihren Spitznamen anredet – Himmel, ich würde es erstklassig machen.
    Vielleicht sollte ich es auch tun. Oder mich zum Laufburschen machen, der Kaffee und Brötchen besorgt, losrennt und Zigaretten holt und Schnaps oder im Regen Taxis anhält. Völlig dienstbereit und ohne Verpflichtung wie jetzt etwa mit … nun, jetzt bin ich mit Joe Keneally hier. Mit Joe Keneallys Marta Marlund am Arm und seiner Frau an der Seite, aber dennoch bin ich auf dem Broadway.
    Eine Straße, dachte Walter grübelnd, auf der man eine Ansicht gleichzeitig mindestens zweimal sehen kann. Wo Neon, die blitzenden Lichter und die großen Fensterscheiben kombiniert ein riesiges Spiegelkabinett im Freien bilden. Ein Lachkabinett, in dem man stehenbleiben, eine Pause einlegen und nicht nur sich selbst – in Scharlach-, Silber- und Bernsteintöne getaucht – sehen kann, sondern auch das, was hinter einem ist, ein Stück weiter oder auf der anderen Straßenseite.
    Wie etwa die beiden ernsten Typen, die sie bei ihrem Spaziergang vom Plaza zur Show verfolgt hatten. Es waren Flaschen, Amateure, wie es beim FBI viele gab, und so hielt er diese Burschen für zwei von Hoovers humorlosen Agenten. Ihre unsubtile Technik war typisch für Sicherheitsdienste, die im selben Land arbeiten, in dem sie die höchste Autorität sind. Ihnen fehlten die paranoiden Fähigkeiten derer, die auf feindlichem Territorium arbeiten, für die die Tollpatschigkeit eines Augenblicks die schnelle Festnahme oder einen noch schnelleren Tod bedeuten konnte.
    Amateurhaftigkeit war für Walter die Arroganz der Macht. Und diese Burschen in ihren unauffälligen grauen Mänteln, dem Bürstenhaarschnitt und den blankpolierten schwarzen Schuhen waren sichtlich der Meinung, die Heimmannschaft zu sein.
    Aber ihr seid nicht die Heimmannschaft, dachte Walter. Das bin ich.
    »Broadway«, verkündete er, als sie an der 45. auf grünes Licht warteten, »dorthin kommen die Leute und zahlen Geld dafür, sich die Träume anderer Menschen anzusehen.«
    »Ich kann nicht sagen, ob diese Bemerkung zutiefst zynisch oder von umwerfendem Charme ist«, sagte Madeleine.
    »Oder beides«, warf Keneally ein.
    »Es war bewundernd gemeint«, erwiderte Walter, als sie die
Straße überquerten. »Das ist einer der Gründe, weshalb ich an Gott, Land und

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