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Manhattan

Manhattan

Titel: Manhattan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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anderer abholt. Sie brauchen nicht mal zu wissen, worum es sich handelt.« Und dann, an einem Abend, der einem Angst einjagt, heißt es: »Hören Sie, Sie haben wirklich keine andere Wahl. Nehmen Sie einfach das Päckchen, geben Sie es dort ab, wo Sie es abgeben sollen, und vergessen Sie das Ganze.« Der Agent sagt nein, worauf er zu hören bekommt: »Na schön, es ist natürlich Ihre Entscheidung. Aber Sie wollen doch sicher nicht, dass man das Zeug bei Ihnen in der Wohnung findet? Das wollen Sie doch wirklich nicht. Ich meine, wir können dann bestenfalls von Gefängnis reden, und das ist nur die günstigste Variante. Einfach aus dem Fenster werfen? Nach allem, was wir für Sie getan haben? Das können Sie doch nicht tun, Darling, ich hätte keine andere Wahl, als ein paar Anrufe zu tätigen, und sie würden ohnehin kommen, um Sie zu holen, und dann wäre das Gefängnis immer noch das Beste, worüber wir reden könnten. Nein, wirklich, Sie sollen wirklich nichts anderes tun, als das Zeug dort abzugeben …«
    Walter wusste, wie es funktionierte, nachdem er es selbst schon so oft gemacht hatte. Er hatte gesehen, wie Furcht und hilflose Abneigung über das Gesicht des Agenten zogen wie eine Wolke über den klaren blauen schwedischen Himmel, und dann sagte der Agent: »Na schön. Nur dieses eine Mal«, worauf man sagt: »Gut, nur dieses eine Mal.« Bis zum nächsten Mal. Und dem nächsten und nächsten, bis der Agent schließlich alles versaut und geschnappt wird, und dann ist es auch nicht so, als hätten wir einen richtigen Agenten verloren, nicht wahr?
    Der eine tut es für Geld, der andere für die Sache, der nächste lässt sich einfach erpressen. Walter hatte das Gefühl, dass Alicia eine Gläubige war, eine Romantikerin, die die Sache liebte und etwas Romantisches dafür tun wollte. Doch wie romantisch war ihr jetzt zumute, als sie die 106. Straße in westlicher Richtung überquerte und wie ein Greyhound dem Riverside Park zustrebte?
    Walter passte sich ihrem Tempo an und stellte zu seinem Entsetzen fest – etwas mehr Zeit auf dem Tennisplatz, etwas weniger Zeit in den Nachtclubs, mein Junge –, dass er sich anstrengen musste, um mit ihr Schritt zu halten. Sie bewegte sich auf die Zielgerade zu, und bis jetzt war alles gutgegangen, so dass sie nun losrannte, um es hinter sich zu bringen.
    Weil sie sie vermutlich auf die Probe gestellt hatten – um sie für die echte Übergabe in Sicherheit zu wiegen, wenn nicht aus einem anderen Grund. (»Hören Sie zu, ich will Ihnen mal was sagen. Wenn Sie wegen dieser Sache nervös sind – und wer wäre das nicht –, und da jemand auf Sie wartet, hat dieser jemand nichts in der Hand. Und wenn dann die echte Übergabe ansteht, werden Sie genau wissen, was Sie tun müssen.«) Also wusste sie, wo sich der Treffpunkt befand. Sie würde das Tempo nicht verlangsamen müssen, um danach zu suchen, und das Ganze schnell erledigen.
    Und genau dort fängt es an, schwierig zu werden, dachte Walter. Das wird der gefährliche Augenblick sein, zwischen Übergabe und Annahme. In dem Augenblick musst du alles blitzschnell erfassen, clever und einfallsreich sein.
    Weil das Beste, wovon wir sprechen könnten, das Gefängnis ist.
    Er spürte, wie unter seiner schweren Kleidung der Schweiß zu strömen begann, und fragte sich, ob es an der Anstrengung lag oder an den Nerven. Er versuchte, die Entfernung abzu
schätzen. Weit genug entfernt, um ungesehen zu bleiben, und nahe genug, um das Päckchen erreichen zu können. Bevor es ein anderer tut.
    Und dann verschwinden, das gehörte auch noch dazu.
    Ich hätte Banker werden sollen, dachte er. Glückliche, langweilige Tage, die ich mit Zahlen verbracht hätte. Stille Abende mit häuslicher Unzucht. Wochenenden im Club. Und warum ist jeder, den ich in letzter Zeit beschatten musste, Sportler? Er beschleunigte das Tempo und versuchte, seine Schritte ihrem Takt anzupassen, damit sie nicht wie das Ratt-Tatt eines Trommelwirbels an ihr Ohr drangen, als sie den Riverside Park betrat.
    Der Park war ein Streifen aus grünem Rasen, Sport- und Spielplätzen, auf der Westseite flankiert von einer Steinmauer. Vom Riverside Drive führten Treppenstufen in den Park auf eine breite, von Bäumen gesäumte Promenade zu. Walter verließ sich auf zwei Dinge: Erstens, dass sie das Päckchen so schnell ablieferte, als wäre es eine heiße Kartoffel, um dann weiterzugehen. In dieser Hinsicht war er einigermaßen zuversichtlich. Zweitens, dass der Abholer die

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