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Manhattan

Manhattan

Titel: Manhattan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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Der Ball lag auf der Vierzehn-Yards-Linie der Giants. Noch fünfzehn Sekunden zu spielen.
    Die Uhr schien plötzlich wieder unaufhaltsam weiterzuticken, es waren nur noch sieben Sekunden zu spielen. Die Zuschauer hielten wie ein Mann den Atem an, Marchetti richtete sich auf seiner Tragbahre auf, Grier und Katcavage nahmen Donovan in die Zange, Huff sprang über das Knäuel hinweg, Myhra traf den Ball voll, und man hörte den dumpfen Aufprall und sah, wie der Ball durch den dunklen Himmel segelte und zwischen den Pfosten landete und das Spiel unentschieden stand.
    » Sudden death «, sagte Walter leise, denn in diesem Augenblick konnte er auch leise sprechen und trotzdem gehört werden, denn die Zuschauer waren stumm.
    »Ich bin schon tot«, erwiderte Keneally.
    Die Giants gewannen die Seitenwahl. Die Begeisterung der Menge wurde durch das seltsame Ritual bei diesem ersten Sudden-Death-Spiel aller Zeiten gedämpft. Als es losging, fragte Keneally: »Haben eure Jungs es in sich?«
    Nein, haben sie nicht, dachte Walter.
    Doch die Abwehr der Giants hielt. Was ihnen jedoch nur eine Atempause bescherte. Beim nächsten Spiel gab die Offensive Line der Colts Unitas ewig Zeit. Er überlistete Moore, rannte um einen angreifenden Modzelewski herum, entdeckte Berry, täuschte an, brachte ihn dazu weiterzulaufen, und ließ ihn dann der Länge nach hinschlagen. Mit den Verteidigern der Giants auf den Fersen traf Unitas Berry erneut auf der Neuner-Linie der New Yorker.
    »Jetzt kommt das Field Goal, und ich habe gewonnen!«, brüllte Keneally.
    Wenn Baltimore mit drei Punkten vorn liegt, dachte Walter, ist deine Wette sicher. Doch es wird kein weiteres Field Goal Baltimores geben.
    Myhra blieb an der Seitenlinie stehen, und Unitas trat an
die Linie. Er reichte den Ball an Ameche, der sich durch die Mitte pflügte und von Huff und Katcavage gestoppt wurde. Ball weiter zur Siebener-Linie, und die Zuschauer erwarteten schon halb, dass jetzt das Field Goal getreten wurde. Unitas war wieder zur Stelle. Die Abwehr der Giants warf sich ihm entgegen, um den erwarteten Lauf durch die Mitte zu stoppen, worauf Unitas zu Joe Mutscheller passte. Mutscheller strebte der Goal Line zu, rutschte jedoch auf dem Eis aus und stürzte auf der Ein-Yards-Linie.
    »Ich kann nicht glauben, dass er den Ball verloren hat!«, klagte Keneally.
    Ich kann es, dachte Walter. Ich kann es absolut glauben. Sie haben schon vorhin kein Field Goal gemacht, und wenn sie es jetzt machen, gewinnen sie mit drei Punkten. Aber drei Punkte bringen nichts, wenn man eine Tonne Geld auf einen Fünf-Punkte-Unterschied gesetzt hat. Und wenn man nebenbei auch noch der Eigentümer der Mannschaft ist, kann man ruhig daneben sitzen und den Spielern Zeichen geben.
    Drittes Down auf der Einer-Linie, ein fast sicheres Field Goal zum Gewinn der Meisterschaft. Tatsächlich lief Myhra an.
    »Das ist es, Walter!«, brüllte Keneally triumphierend. »Ein Field Goal, und sie schulden mir hundert Dollar!«
    »Zweitausend darauf, dass es kein Field Goal geben wird«, sagte Walter.
    »Was?«
    Madeleine sah schockiert aus. »Walter, was … nein!«
    »Zweitausend darauf, dass sie kein Field Goal schießen«, wiederholte Walter.
    »Von der Einer-Linie, Withers?! Sind Sie verrückt geworden?!«
    »Haben Sie keinen Mumm, Senator?«
    »Zweitausend.«
    »Jetzt gleich. Ja oder nein.«
    Keneally grinste. »Abgemacht.«
    Myhra trat auf das Feld.
    »Ich hoffe, Sie sind flüssig, Withers«, sagte Keneally. »Ich habe die Absicht zu kassieren.«
    Dann trottete Myhra zurück, damit Unitas sein Team zur Linie zurückbringen konnte.
    »Was macht er da?!«, schrie Keneally.
    Was ihm gesagt wurde, dachte Walter. Vom Eigentümer im Publikum. Gewinnt mit sechs Punkten, sonst passiert was.
    Zum letzten Mal gingen die Giants in Position, um ihre Goal Line zu verteidigen. Zum letzten Mal, als es immer dunkler wurde und die Zuschauer wieder ihren Singsang aufnahmen, kauerten sie sich zu einer hoffnungslosen letzten Abwehrschlacht. Walter liebte sie trotz der Hoffnungslosigkeit, liebte sie wegen der bevorstehenden Niederlage vielleicht noch mehr. Denn seine Champions waren Menschen, mit all ihren Schwächen. Sie hatten alles gegeben, und wenn das die Niederlage bedeutete, dann besaß auch die Niederlage ihre eigene traurige Schönheit.
    Der Ball wurde vom Center an den Quarterback übergeben, und die Abwehrreihe der Colts versuchte es mit einem Blocking. Mutscheller ließ Livingstone auflaufen, und Ameche legte beide

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