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Manhattan

Manhattan

Titel: Manhattan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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noch weniger Zeit. Er legte sich flach auf die Mauerkrone, warf das rechte Bein hinüber, tastete nach einem Halt für die Füße, fand eine Stelle und stellte den Fuß darauf, als er das linke Bein nachzog. Die Steine waren eisig kalt und schlüpfrig. Er zwang sich, erst die eine und dann die andere Hand von der Mauerkrone zu nehmen und an deren Seite auch für die Hände einen Halt zu finden. Und da hockte er, als die Jungs näher kamen, und klammerte sich an die eisige Felsmauer. Seine Hände zitterten vor Anstrengung, und seine Finger brannten vor Kälte. Eine wirklich lächerliche Position.
    Der Schwerfällige, der als erster die Stelle erreichte, hob langsam, ja fast träge den Kopf über die Mauerkrone, um zu sehen, was er sehen konnte. Sie blickten einander eine Sekun
de lang an, dieser namenlose Killer und Walter, und wechselten einen törichten Blick, bevor Walter mit der Hand abrutschte, sich mit den Füßen abstieß und hoffte, dass es nicht allzu weit bis zum Boden war.
    Es waren rund viereinhalb Meter, doch es waren viereinhalb Meter senkrechter Dunkelheit, die ihm das Leben retteten, als er auf der rechten Spielhälfte des darunterliegenden Softball-Felds landete. Er schaffte es, seinen Sturz fast völlig mit den Füßen abzufedern. Es fiel ihm noch rechtzeitig ein, sich abzurollen, obwohl sein linker Knöchel von da an beim Tennis seine Schwachstelle sein würde. Er machte eine Rolle rückwärts und landete mit einem würdelosen Plumpsen. Feuer brannte in seinem Rücken, als ihm die Luft aus den Lungen gepresst wurde. So lag er hilflos eine ganze Ewigkeit da, wie ihm schien, bis er endlich davonkriechen konnte.
    Die Jungs hatten keine Lust gehabt, in die Dunkelheit zu springen. Sie standen oben auf der Mauerkrone und versuchten, ihn zu sehen, konnten es aber nicht. Unten kroch Walter am Fuß der Mauer weiter und richtete sich dann zu einer Art kauerndem Gang wie bei einem Prä-Hominiden auf und arbeitete sich langsam Richtung Downtown vor, bis er einen Tunnel fand, der vom Westside Highway wieder auf den Riverside Drive führte.
    Er hörte, wie hinter ihm einer der Männer klatschend auf dem Boden landete, und konnte nur annehmen, dass der zweite ihnen oben folgen würde. Wenn er es schaffte, in den Tunnel zu kommen, bevor sein Verfolger ihn einholte oder der andere einen Schusswinkel fand, würden sie vielleicht an ihm vorbeilaufen. Dann würde er es schaffen, wieder auf die Straße zu kommen, und zwar rechtzeitig, um sich aus dem Staub zu machen, oder …
    Der Tunnel öffnete sich vor ihm. Er war gerade hineinge
rannt, als er hinter sich das Brummen eines Motors hörte und spürte, wie der Wagen hielt.
    Ich hätte es wissen müssen, dachte er. Ich hätte daran denken müssen. Natürlich haben sie einen Wagen. Das haben sie immer.
    Doch jetzt war es zu spät. Jetzt saß er in der Falle. Sein Fluchtweg war eine Falle, und der lange weiße Wagen kam wie ein Geist auf ihn zu.
    Er hörte, wie die Scheibe surrend herunterging.
    Auf diese Entfernung können sie mich nicht verfehlen, dachte Walter.
    »Sie sehen schlecht aus, Mann.« Es war Theo, der Chauffeur der Contessa, der auf ihre Anweisung hin wie immer kreuz und quer durch die Straßen fuhr.
    »Ich bin fertig«, sagte Walter aufrichtig.
    »Springen Sie rein, Mann.«
    Walter riss die Tür auf und kauerte sich auf den Sitz. Im Seitenspiegel konnte er den Sprinter sehen. Theo sah ihn auch, trat aufs Gaspedal, worauf der große Wagen aufheulte, aus dem Tunnel fuhr und den Riverside Drive entlang raste.
    »In diesem Park sollten Sie nicht nach Stoff suchen, Mann!«, sagte Theo lachend. »Das ist gefährlich!«
    »Ich werd's mir merken.«
    Walter legte sich auf den Rücksitz und schloss die Augen. Sekunden später schlief er ein. Als er aufwachte, hielten sie gerade vor seinem Haus, und er konnte hinter dem Vorhang Annes Silhouette erkennen.
    Sie hatte sich in den großen Sessel gekuschelt und sich seinen Frotteebademantel um die Schultern gelegt. Sie wachte auf, als er durch die Tür trat.
    »Ich habe selbst aufgemacht«, sagte sie. »Ich hoffe, du hast nichts dagegen.«
    »Deswegen haben wir die Schlüssel machen lassen.«
    »Ich meine jetzt«, sagte sie.
    »Ich hab nichts dagegen«, sagte er. »Wo bist du gewesen? Ich habe mir Sorgen gemacht.«
    »Auf dem Land, bei meinen Eltern«, sagte sie. »Ich bin nach meinem letzten Auftritt gestern Abend losgefahren. Ich wollte heute Morgen auf der Farm aufwachen. Spazierengehen und nachdenken.«
    »Über

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