Manipulationstechniken. So wehren Sie sich. (Haufe Sachbuch Wirtschaft) (German Edition)
„Meine Damen und Herren, Sie alle wissen, dass man darüber nachdenkt ein Mautsystem für PKW auf unseren Autobahnen einzuführen. Haben Sie eine Vorstellung davon, was dies für uns bedeuten wird? Die erste Folge wird sein, dass sich der Verkehr wieder stärker auf die Bundes- und Landstraßen verlagern wird, da viele Menschen versuchen werden, die Autobahnen zu vermeiden. In vielen kleinen Ortschaften wird es somit zu einem höheren Durchgangsverkehr kommen. Konsequenz wird sein, dass sich die Unfälle in diesen Orten häufen werden, die Zahl der Verkehrstoten wird insgesamt wieder zunehmen und für unsere Kinder wird es gefährlicher, sich im öffentlichen Verkehr zu bewegen. Die Luftverschmutzung und die Lärmbelastung werden in vielen kleinen Städten zunehmen, die Lebensqualität wird dramatisch sinken. Das wird nur noch mehr dazu führen, dass die Menschen wieder weg vom Land in die großen Ballungszentren ziehen. Die Mieten in Städten wie München oder Frankfurt werden weiter anziehen. Der Kampf um bezahlbaren Wohnraum wird härter, das soziale Klima wird sich weiter massiv verschlechtern. Soziale Unruhen sind vorstellbar. Letzten Endes werden alle Bürger die Zeche bezahlen müssen. Da frage ich Sie: Kann man so etwas ernsthaft wollen? Ich glaube, dass dies noch niemand in solch deutlicher Klarheit gesehen hat. Deshalb: keine Mautgebühren für PKW auf unseren Autobahnen.“
Lothar hat hier eine ziemlich gewagte Rutschbahn konstruiert. Einige der von ihm genannten Kausalbeziehungen sind dabei durchaus plausibel.
Wird man mit der Rutschbahntaktik konfrontiert, sollte man zunächst prüfen, ob der Manipulator tatsächlich den vom Gesprächspartner geäußerten Vorschlag benutzt hat, um daraus die unliebsamen Konsequenzen abzuleiten. Häufig werden nämlich die ursprünglichen Positionen etwas verzerrt (siehe Strohmanntaktik), um die negativen Folgen daraus herzuleiten.
Die zweite Sollbruchstelle einer Rutschbahntaktik liegt in der konstruierten Kausalkette. Ein Lawinenargument ist nur so stark, wie die behaupteten kausalen Verknüpfungen. Und gerade hier stellt der Manipulator oft kausale Beziehungen her, die sehr fragwürdig oder sogar unhaltbar sind. Ein zusätzliches Beispiel soll uns zur Anschauung dienen:
Beispiel Teil 1
Zwei Abteilungsleiter der Promex Constructa AG, Max und Franz, diskutieren, inwieweit Mitarbeiter in Entscheidungsprozesse einbezogen werden sollen. Max steht auf dem Standpunkt, dass man als Führungskraft in erster Linie allein die Verantwortung trägt und somit auch allein die Entscheidungen zu treffen hat. Er argumentiert weiter: „Stell dir vor, ich würde tatsächlich anfangen, die Mitarbeiter das eine oder andere Mal bei Entscheidungen mitreden zu lassen. Ich würde dadurch nur die Erwartungen wecken, auch bei anderen Entscheidungen mitreden zu lassen. Das würde dazu führen, dass alle bei allen Entscheidungen dabei sein wollen. Kannst du dir das Chaos vorstellen? Wenn alle überall mitreden möchten, werden Entscheidungen immer zäher und zeitaufwendiger und am Ende wird vielleicht gar nichts mehr entschieden. Und dann leidet unsere Leistungsfähigkeit dramatisch.“
Max verwendet die Rutschbahntaktik. Aus einem scheinbar harmlosen Schritt, der Einbeziehung der Mitarbeiter in einige wenige Entscheidungen, werden Chaos und Misserfolg.
Wie schützt man sich am besten vor der Rutschbahntaktik?
Der Schlüssel einer angemessenen Reaktion auf die Rutschbahntaktik liegt in der behaupteten Kausalkette. In den meisten Fällen sind die einzelnen Glieder nur sehr schwach verzahnt. Hier sollte man mit kritischen Fragen oder dem Aufbau einer Gegenposition ansetzen. Will man gegen eine Rutschbahntaktik kontern, empfiehlt es sich, das schwächste Glied in der Kette herauszugreifen.
So ist bei der Argumentation von Max aus unserem letzten Beispiel der Übergang von b ei einigen Entscheidungen mitreden lassen zu bei allen Entscheidungen mitreden wollen sehr gewagt und angreifbar. An diesem Punkt setzt Franz in seiner Replik auf Max auch an:
Beispiel Teil 2
„Ich glaube, du malst ein viel zu düsteres Bild. Ein Schritt ergibt sich aus dem anderen fast wie ein Naturgesetz. Aber das muss doch gar nicht so sein. Dass Mitarbeiter bei Entscheidungen mitreden wollen, führt nicht zwangsläufig dazu, dass sie bei allen Entscheidungen mitreden wollen. Außerdem ist noch gar nicht geklärt, was „Mitredenwollen“ überhaupt heißt. Es ist doch durchaus möglich, dass die Mitarbeiter nur um
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